
ODER: STADT, LAND, BUND…
Wie du vielleicht schon bemerkt hast: „Zauberhaftes Sauerland“ ist kein Politik-Blog und soll auch keiner werden! Trotzdem wäre es falsch zu denken, man könne die Politik einfach ausblenden, wenn man über eine Region und ihre Bewohner schreibt. Und natürlich interessiert es mich auch, wie das Sauerland auf Bundesebene so dasteht. Als ich dann auch noch auf Instagram ein Foto des Bundestagsabgeordneten und Generalsekretärs der FDP in Nordrhein-Westfalen Johannes Vogel entdeckt habe, auf dem er an Sauerländer Türen klingelt und sich ein direktes Feedback der Menschen einholt, war der Entschluss schnell gefasst: Auch ich wollte gern mal mit Herrn Vogel über seinen Wahlkreis sprechen und erfahren, wie er das Sauerland wahrnimmt und vertritt…
Im Sauerland kann man am Puls der Globalisierung arbeiten und trotzdem im Grünen leben
Herr Vogel, wir treffen uns hier gerade mitten in Ihrem Wahlkreis am Olper Marktplatz. Als Bundestagsabgeordneter hat man viel in Berlin zu tun; wie oft schaffen Sie es da noch, ins Sauerland zu kommen?
Durch die vielen Termine und Pflichten in Berlin könnte man sagen, zu selten; aber definitiv oft genug, um immer einen guten Eindruck von der Region zu bekommen. Mit der Entscheidung, für den Bundestag zu kandidieren, war ja klar, dass ich viel pendeln muss. Bei mir sind es sogar drei Orte, zwischen denen ich unterwegs bin: Es gibt Berlin, wo ich viel sein muss, es gibt das Sauerland, wo ich gerne bin, mein Wahlkreis, und es gibt Düsseldorf bzw. ganz NRW, weil ich ja auch noch Generalsekretär der FDP im Land bin. Zwischen diesen drei Tätigkeitsfeldern teile ich mich auf und bin dann regelmäßig unterwegs. Man muss schon gut organisiert sein, aber ich habe auch ein tolles Team, das mich da unterstützt.
Mit den Menschen vor Ort in Kontakt zu bleiben, ist für einen Politiker sicher wichtig, aber bestimmt schwer umzusetzen. Wie kann dieser Dialog gelingen, und welche Anregungen bekommen Sie hier vor Ort?
Gelingen kann er, in dem man hingeht und mit den Leuten spricht. Manchmal ist meine Zeit limitierter durch das zusätzliche Amt, was ich für meine Partei ausführe, aber ich versuche immer wieder, mit den Menschen in Kontakt zu treten. Ich gehe zum Beispiel auch abseits von Wahlkämpfen gelegentlich von Haustür zu Haustür, höre mir an, was die Menschen beschäftigt. Dabei kann ich natürlich nicht den ganzen Wahlkreis abklappern, aber man bekommt Eindrücke. Da nehme ich immer ganz viel mit, das ist sehr wertvoll für mich! Dazu natürlich die ganzen Termine in der Region, Unternehmensbesuche und mehr. Und Gespräche im Alltag, wie zum Beispiel hier eben auf dem Marktplatz vor unserem Interview. Und dann schließlich vor allem Social Media. Ich glaube sehr an die sozialen Medien, weil sie unabhängig von Zeit und Raum die direkte Kommunikation ermöglichen. Die Rückmeldungen, die ich zum Beispiel auf Instagram zu den Themen bekomme, zu denen ich mich politisch äußere, sind mir schon wichtig. Da bekommt man richtig Feedback, auch Detail-Rückmeldungen. Im Prinzip ist das so, als wenn man mit den Leuten hier auf der Straße spricht.
Ursprünglich stammen Sie ja aus Wermelskirchen und haben in Bonn studiert. Wie sind Sie überhaupt ins Sauerland gekommen?
Ich bin Wahl-Sauerländer und habe mich bewusst für unsere Region Home Base entschieden. Die Situation war so: Als ich 2009 entschieden habe, für den Bundestag zu kandidieren, suchte ich einen Wahlkreis, weil in dem Wahlkreis, wo ich gebürtig herkomme, da gab es schon einen etablierten Kandidaten. Ich war damals Vorsitzender der Jungen Liberalen, der Jugendorganisation der FDP, machte ehrenamtlich auch schon auf Bundesebene Politik und war medial schon ein bisschen bekannt, da gab es also eine realistische Chance auf eine Kandidatur. Und da wurde ich tatsächlich auch von einigen Kreisverbänden für ihre Wahlkreise angefragt, weil es ja für die auch interessant war, einen Abgeordneten auf Bundesebene zu haben. Ich habe mir dann verschiedene Wahlkreise angeschaut, und es war ganz schnell klar, dass es dieser hier werde sollte. Warum? Ich habe mich hier direkt wohl, ja sogar zuhause gefühlt. Offiziell ist ja das Bergische Land Rheinland und das Sauerland Westfalen, aber es liegt direkt nebenan. In Wermelskirchen sieht es genau so aus wie hier: Schiefer-Häuser, das Wetter ist das gleiche, die Talsperren sind wie hier, die Wälder sind wie hier, sogar die Menschen sind ziemlich ähnlich und die Wirtschaftsstruktur ist auch noch gleich. Gefühlt bin ich nur ein paar Kilometer weiter nach Osten gezogen und konnte mich direkt auf die Region einlassen. Die Olper werden mich natürlich immer als Buiterling sehen, obwohl ich einige Jahre hier gelebt habe, aber da sind die Olper ja ohnehin eigen… [lacht] Aber man muss ja nicht in einer Region geboren sein, um sich mit ihr zu identifizieren!
Mein Blog heißt „Zauberhaftes Sauerland“ und ich finde das Sauerland damit gut beschrieben. Gibt es etwas, dass auch Sie „zauberhaft“ am Sauerland finden?
„Etwas“ klingt mir da fast schon etwas limitierend. Ich finde es hier einfach schön; es sind schöne Häuser, ein schöner architektonischer Stil, aber am schönsten am Sauerland ist doch, der Blick in die Weite, über die Felder und die Berge. Gleich fahre ich von Olpe aus nach Oberveischede zum nächsten Termin, und zum Beispiel die Höhenstraße auf der Griesemert bietet doch einen gigantischen Blick. So etwas gibt´s nur hier! Heute Mittag war ich in Attendorn, und auch am Biggesee entlang zu fahren, ist einfach nur superschön. Gerade, wenn die Sonne scheint und das Wasser glitzert – eine wirklich wundervolle Landschaft! Und ich bin auch stolz auf die industrielle Stärke der Region. Ich mache ja Arbeitsmarkt-Politik im Bundestag, und bin viel in Unternehmen unterwegs. Auf die Zahl der „Hidden Champions“ können wir echt stolz sein! Im Sauerland kann man am Puls der Globalisierung arbeiten und trotzdem im Grünen leben; das können nicht so viele Regionen von sich behaupten.
Dennoch berichten Unternehmer davon, dass es ihnen manchmal schwer fällt, gut qualifizierte Fachkräfte ins Sauerland zu locken…
Ja, das ist richtig. Aber da versuche ich, entgegenzuwirken. Ich erzähle den Menschen in der Großstadt, wie cool das Sauerland ist. Und selbst wenn man noch urban wohnen möchte, kann man auch reinpendeln, das geht alles… Vielleicht kann ich da ein Botschafter sein, weil ich das ja selbst etwas lebe! Ich habe auch als kleiner Junge in den Talsperren und Wäldern gespielt, und bin dort sehr geerdet aufgewachsen, wie ich eben schon erzählt habe – und fühle mich hier rundum wohl. Gleichzeitig habe ich einen Freundes- und Bekanntenkreis in Berlin; dieser Teil meines Lebens ist sehr urban. Ich will aber keinen Teil davon missen; auch nicht sagen, das Eine ist das Coole und das Andere das Provinzielle. Ich empfinde es als eines der großen Privilegien in meinem Job, dass man all das in seinem Leben miteinander verbinden kann, und das kann ich ja dann auch vermitteln. Übrigens glaube ich auch, dass das eine Stärke Deutschlands ist, dass wir nicht diesen krassen Gegensatz Stadt-Land haben, wie in manchen Ländern, die sehr auf die Hauptstadt fixiert sind. Oder der krasse Gegensatz in den USA zwischen den Städten an der Küste und dem großen Land dazwischen, da gibt es einen echten Kulturkampf. Dass wir das anders leben, ist eine ganz große Stärke unserer Gesellschaft, und das heißt eben auch, die Fahne des ländlichen Raums in der Stadt hochzuhalten. Und das tue ich, als Jemand, der aus dem ländlichen Raum kommt, aus Überzeugung! Das ist das eine, was ich machen kann, so ein bisschen „Role Model“ zu sein… Das zweite ist dann in meinem ganz konkreten Fall Politik: Die Digitalisierung der Arbeitswelt bietet ganz große Chancen, auch für das Sauerland. Was wir jetzt gerade in der Corona-Krise erleben, mit Homeoffice und mobilem Arbeiten, bietet ja für die Unternehmen auch die Chance, nicht nur die zu gewinnen, die gebürtig aus der Region kommen, sondern vielleicht auch den Ein oder Anderen aus den großen Städten abzuwerben. Der dann vielleicht da wohnen bleiben kann und nur zwei, drei Tage die Woche vor Ort sein muss. Insofern ist die Digitalisierung besonders eine Chance für Regionen wie unsere, wo man – aus der Wahrnehmung eines Berliners oder Hamburgers – etwas ab vom Schuss ist, aber ganz viele top qualifizierte und gut bezahlte Arbeitsplätze hat. Daher ist es eins meiner Themen, da politisch den Rahmen für zu setzen. Da ist ganz viel zu tun – da gibt es ganz konkrete Aufgaben, aber das würde jetzt hier wahrscheinlich den Rahmen sprengen.
Wir sprachen gerade schon über die Corona-Krise: Viele Menschen machen sich neben den Sorgen um ihre Gesundheit auch welche um ihren Arbeitsplatz. Wie schätzen Sie die Situation ein?
Das ist schon ernst zu nehmen, das ist die schwerste Wirtschafts- und Arbeitsmarkt-Krise seit Bestehen der Bundesrepublik. Zum Glück haben wir viele etablierte Instrumente, zum Beispiel Kurzarbeit… Wir haben hier im Sauerland eine überdurchschnittliche Nutzung; bei der Inanspruchnahme von Kurzarbeit sind die Betriebe und Unternehmen im Kreis Olpe auf der Liste bundesweit ganz oben dabei. Das zeigt natürlich schon, wie schwer die Region getroffen ist, aber eben auch die Stärke; wenn du in der Industrie ganz vorne bist, kannst du auch besonders hart vom Einbruch getroffen werden. Von dieser Krise werden wir uns wahrscheinlich nicht so schnell erholen wie von der 2008/09; es wird erst einmal wackelig bleiben mit all den Schwierigkeiten bei der Eindämmung des Virus. Es wäre unehrlich zu sagen, dass das nicht noch schwierige Monate sind, die da auf uns zukommen – das ist der eine Teil der Wahrheit; der andere ist: Wir können und werden es schaffen!
Vor einiger Zeit habe ich über das Projekt „Lennestadt 2030“ berichtet, in dem Bürger zu Ihren Zukunftsvorstellungen befragt wurden. Wenn Sie an das Sauerland im Jahr 2030 denken, welche Ziele sollten bis dahin umgesetzt werden?
Erstens, was ich gerade schon gesagt habe: Die Digitalisierung der Arbeitswelt sollte als Chance für die ländliche Industrie-Region begriffen worden sein. Ich habe das Gefühl, dass das noch gar nicht im Kopf jedes Unternehmers oder Personalers hier angekommen ist… Zweitens: Wir können unser Standort-Marketing noch besser machen. Wenn ich in Berlin erzähle, was für eine starke Industrie-Region das Sauerland ist, treffe ich immer noch zu viele Menschen, die das überrascht! Und drittens: Das Sauerland sollte bis 2030 auch noch bunter geworden sein… Zwar gibt es im Kreis Olpe noch häufiger die traditionelle Familienstruktur als anderswo, aber wenn man auf den demographischen Wandel schaut, wird schon klar, dass wir auch hier noch stärker in eine Situation kommen werden, dass Fachkräfte fehlen werden. Das können wir nur durch Einwanderung und Vielfalt lösen. Auch das sollten wir bei unserem Standort-Marketing im Kopf haben, dass es großartig ist, wenn wir Leute aus dem Münsterland, Köln oder Hamburg herlocken, aber dass wir eben auch Menschen aus Asien, Afrika und Südamerika überzeugen können, ins Sauerland zu ziehen. Da können wir 2030 auch noch besser sein als heute!
Was sind Ihre persönlichen Zukunftspläne?
Ein ganz kurzfristiges Ziel: Ich werde in diesem Sommer heiraten, da freue ich mich sehr, obwohl wir nicht groß feiern können. Das holen wir nächstes Jahr nach! Ansonsten möchte ich mich weiter von Themen treiben lassen und aktiv interessante Projekte suchen, wo ich den Eindruck habe, etwas Sinnvolles bewirken zu können! Aber ich habe nie Zehn-Jahres-Pläne gemacht. Ganz im Gegenteil! Es gibt diesen großartigen „Sunscreen Song“ von Baz Luhrmann, sehr hörenswert, da gibt es eine großartige Zeile, in der ich mich sehr wiederfinde: Mach dir keine Gedanken, wenn du mit 22 noch nicht weißt, was du mit deinem Leben machen willst; einige der interessantesten Vierzigjährigen, die ich je getroffen habe, wissen es immer noch nicht. Ich finde, da ist viel dran! Mal schauen, was in zehn, fünfzehn Jahren kommt… Im Moment mache ich das gern, was ich mache.
Die Politiker hören mir sowieso nicht zu, ich kann doch gar nichts bewirken – solche Ausreden gehören in Zukunft der Vergangenheit an… Social Media macht einiges möglich, eben auch den direkten Draht in den Bundestag:
https://www.johannes-vogel.de/
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(Die Fotos mit Ausnahme des Titelbildes wurden mit freundlicher Unterstützung von Johannes Vogel zur Verfügung gestellt.)