
ODER: WIRD LENNESTADT ZUM „SOCIAL CLUB“, „GREEN GOLD“ ODER ZUR „SMART CITY“?
Herbst 2018, ich fahre, wie so häufig mit meinem Auto (leider Benziner, E-Auto ist noch nicht drin 😉) über die B236 durch meine Heimatstadt Lennestadt – die übrigens keine Stadt im eigentlichen Sinne, sondern ein Verbund von 42 Ortsteilen ist – und erfreue mich daran, wie schön es hier ist. Zu solchen Gelegenheiten werde ich auch etwas wehmütig und frage mich, wie es hier wohl in Zukunft aussehen wird. Da fällt mir ein, dass ich kürzlich etwas von der Initiative „Lennestadt 2030“ gehört habe, in der es um genau dieses Thema gehen soll. Da ich hoffe, auch in zwölf Jahren noch genauso häufig hier unterwegs zu sein, muss ich einfach mehr darüber erfahren und habe daher einen Gesprächstermin mit Martin Steinberg vereinbart, der bei der Stadt Lennestadt für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist und mir mehr über dieses Projekt erzählen kann. Denn eigentlich ist Lennestadt ein wahrer Schatz, der nur noch etwas weiter ausgegraben werden muss:
Auf Schatzsuche in Lennestadt…
Ich bin in Lennestadt-Altenhundem geboren und aufgewachsen. Ehrlich gesagt habe ich mich hier immer sehr wohl gefühlt und fühle es noch. Welche Probleme und Herausforderungen haben die Stadt denn zum Projekt „Lennestadt 2030“ geführt?
Natürlich sehen wir schon, dass wir gut aufgestellt sind. Zum Beispiel an den Zahlen des Einzelhandels und der Nutzung der „Schatzkarte“ kann man das sehr gut ablesen. Aber wir sehen auch, dass Probleme entstehen können, die jetzt noch nicht da sind, aber vielleicht in vier, fünf Jahren immer größer werden. Ärztliche Versorgung, Infrastruktur, Fachkräftemangel sind solche Themen, und ganz besonders auch die „Landflucht“ der jüngeren Generationen. Womit wir natürlich immer zu kämpfen haben, ist, dass der Fokus der Weltöffentlichkeit nicht auf Kleinstädten wie Lennestadt liegt. Der liegt eher auf Berlin, Köln, München oder eben Orten, die etwas anbieten, was absoluten Wiedererkennungswert hat. Bayreuth z.B. kennt man wegen den Festspielen. Füssen und Winterberg haben es geschafft, die beliebtesten Orte bei Instagram zu sein. Wir in Lennestadt haben auch Highlights, um mal nur die „Hohe Bracht“, „Burg Bilstein“ und „Elspe Festival“ zu nennen, wir müssen sie nur besser vermarkten!
Viele aus der Gegend, besonders auch Zugezogene, kennen diese schönen Plätze vielleicht gar nicht und wären begeistert. Wir stellen hier auch ein vielfältiges kulturelles Programm auf die Beine. Wichtig ist uns, dass die Jugendlichen nach ihrer Ausbildung oder ihrem Studium zurückkommen und ein gutes Angebot vorfinden, von ärztlicher über schulische Versorgung bis hin zu Freizeitangeboten für ihre eigenen Familien. Das sind solche Bausteine, an denen wir hier im Rathaus arbeiten.
Wenn man Altenhundem vor 15 Jahren mit Altenhundem heute vergleicht, stellt man fest, dass sich ja schon eine Menge getan hat: der Bahnhof, der Marktplatz und das Areal „In den Höfen“ wurden komplett erneuert. Wie sieht der weitere Prozess der baulichen Erneuerung aus?
Ja, es hat sich viel getan, aber die baulichen Maßnahmen sind nicht abgeschlossen. Es gibt zum Beispiel das Projekt „IKEK“ (Integriertes, kommunales Entwicklungskonzept). Im Zuge dessen sind die Orte angeschrieben worden, sich an einer Fragebogen-Aktion zu beteiligen, und wir hatten eine sehr gute Rücklaufquote: über 1.100 Fragebögen sind aus den 42 einzelnen Ortsteilen gekommen. Da geht es um bauliche Maßnahmen. Der eine Ort wünscht sich z.B. einen Gemeinschaftsplatz, der nächste neue Bänke und einen Spielplatz. Auch in jüngster Vergangenheit ist einiges passiert: In Meggen ist der „Haldengarten“ entstanden, Fahrradwege sind neu verbunden und Straßenführungen verändert worden, ganz aktuell wurde der „Kulturweg“ in Grevenbrück am vergangenen Samstag eröffnet. Der Bürgermeister sieht drei Zentren in Lennestadt: Grevenbrück als „Kulturort“ mit Museum, historischer Feuerwehr, „KulturBahnhof“ und „Kulturweg“, Altenhundem als „Dienstleistungsort“ mit allen Geschäften, ärztlicher Versorgung und Schulen und Saalhausen als „Gesundheitsort“ mit „TalVital“, dem neu angelegten Kurpark und der Seniorenresidenz, die derzeit gebaut wird. Dieser bauliche Prozess läuft parallel zu „Lennestadt 2030“.
Auf der Homepage zum Projekt werden drei verschiedene Szenarien vorgestellt: die grüne Stadt, die smarte, technologische Stadt und die soziale Stadt. Könnten Sie die einzelnen Szenarien kurz vorstellen?
Bei „Social Club“ geht es besonders um das Ehrenamt. In Lennestadt gibt es fast 200 ehrenamtliche Vereine und Institutionen. Wir wollen Hilfestellung bieten, weil alle Vereine klagen, dass das Ehrenamt immer schwieriger mit Familie und Beruf zu organisieren ist. Wir wollen da mit ins Rad packen und fragen: Was können wir tun, damit das Ehrenamt besser gefördert wird? Wie können sich vorhandene Strukturen verbessern, damit die Beteiligten es einfacher haben? In Elspe beispielsweise gibt es die „SoLaWi“ (Soziale Landwirtschaft), wo nicht mehr jeder seinen eigenen Garten hat, sondern es wird ein Feld gemeinsam bewirtschaftet. So wird nicht nur die Gemeinschaft, sondern auch die Nachhaltigkeit gefördert. Es gibt einige Flächen im Stadtgebiet, die brach liegen. Dort würde sich das auch anbieten…
Dann gibt es „Green Gold“. Da stehen auch nochmal die baulichen Aspekte im Vordergrund. Kann man sich vorstellen, hier ein „Spa“ oder eine Therme einzurichten? Oder die „Hohe Bracht“, da gibt es jetzt ein tolles gastronomisches Angebot und den Skihang, aber demnächst wird es dort auch einen „Flow-Trail“ geben, einen sanften Fahrradweg für den Mountainbike-Sport durch das Waldgebiet.
Kann man da oben noch mehr machen? Zum Beispiel Baumhäuser bauen, wo man sich einmieten kann? Oder einen Baumwipfelpfad? Mit so einem Projekt könnte Lennestadt den eben erwähnten Wiedererkennungswert erlangen. Die „Smart City“ will uns die Digitalisierung dort zunutze machen, wo sie uns wirklich hilft. Die Jugendlichen, mit denen wir sprechen, kommen immer wieder auf Themen wie „Geschwindigkeit des Internets“. Können wir hier in Südwestfalen „5G-Modellregion“ werden? Die „Regionale 2025“ beschäftigt sich ebenfalls hauptsächlich mit der Digitalisierung. Daraus können Projekte entstehen. Und dort können unsere Ergebnisse auch miteinfließen.
Einige dieser Ideen klingen geradezu märchenhaft. So sollen in der smarten City autonome, also fahrerlose Elektrobusse zwischen den einzelnen Ortsteilen pendeln oder es ein kostenfreies W-LAN für alle geben. Sind das nur Träume und Ideen oder wäre das auch finanziell machbar?
Da muss man im Prinzip eine Dreiteilung machen: Es gibt Sachen, die ganz leicht zu realisieren sind und wenig kosten. Wenn z.B. vorgeschlagen wird, dass in einem Ort ein Fußgängerüberweg gebaut werden soll und alle einverstanden sind, wird das sofort umgesetzt. Dann gibt es Maßnahmen, die gefördert werden, z.B. wenn wir Modellregion für 5G werden. Oder letztendlich wenn wir sagen, dass wir etwas gerne haben wollen, müssen wir das im Rat beschließen, dass wir das Geld im Haushalt einstellen. Ich persönlich halte die Idee mit dem Bus für weniger sinnvoll, wir sind hier alle verkehrstechnisch sehr individuell eingestellt. Ich denke eher an Elektro-Scooter. In jedem Ort gäbe es ein Haus mit E-Scootern, die man mieten kann. Ich gehe also in meinem Dorf in einen Schuppen, melde mich dort mit dem Smartphone, so wird dann auch bezahlt, nehme meinen E-Scooter und fahre meinetwegen von Kirchveischede nach Grevenbrück. Dort stelle ich ihn dann in das vorgesehene E-Scooter-Haus und gehe zu meinem Kumpel. Jemand anderes nimmt dann den Scooter und fährt wieder woandershin… Das ist eine tolle individuelle Lösung, und wir sind auch schon mit den heimischen Energieversorgern im Gespräch. Das muss ausgebaut werden, sowas geht nicht von heut auf morgen! Prof. Dr. Zimmermann, der das Projekt mitentwickelt hat und uns hier unterstützt, sagt immer, dass die Politik auf Sichtweite fährt und nur in Wahlperioden denkt. Wir wollen mit dieser Kampagne den Horizont erweitern und nicht nur an die nächsten zwei, drei Jahre denken. Was ist in zwölf Jahren realistisch? Wir fangen jetzt an, einige Dinge sind vielleicht auch schnell umzusetzen, aber einige werden eben auch Zeit brauchen.
Wir haben jetzt so viel über Veränderung gesprochen. Was halten Sie für unbedingt erhaltenswert hier?
Das Ehrenamt. Hier wird unglaublich tolle Arbeit geleistet. Wenn das nicht so wäre, hätten wir ganz andere Probleme. Wenn wir z.B. den Jugendlichen nichts anbieten würden in den Orten, sei es Sportverein, Musikverein oder Chor, dann hätten wir Probleme in sozialen Bereichen. Das muss unbedingt erhalten werden!
Gibt es auch andere Partner oder angedachte Partnerschaften, etwa im Bereich Industrie oder Wissenschaft?
Wir hatten im September drei Aktionstage mit Prof. Dr. Zimmermann, wo wir das Projekt „Lennestadt 2030“ vorgestellt haben. Da ging es aber mehr um die Jugendlichen. Wir waren am „GymSL“ und „Maria Königin“ in der Oberstufe und an der Realschule in Meggen, beim „Arbeitskreis Integration“, um auch zugezogene Mitbürger bei dem Thema mitzunehmen, und wir waren in der „OT Grevenbrück“. Das waren die ersten Aktionstage. In den nächsten sechs Wochen planen wir noch einen Aktionstag zu machen mit den heimischen Betrieben, damit deren Marketingleute das Thema in die Firmen reintragen und als Multiplikatoren dienen. Am gleichen Tag werden auch Weltmarktführer aus dem Stadtgebiet angesprochen, „TractoTechnik“, „Hensel“, „Schauerte“, „FM Plasto“ und auch „Mennekes“, obwohl die ja schon knapp in Kirchhundem liegen. Die kleinen Handwerksbetriebe haben meist leider nicht die Möglichkeit, jemanden für ein paar Stunden ins Rathaus zu schicken. Schließlich wird an dem Aktionstag auch noch eine Veranstaltung mit den Werbegemeinschaften, also mit Stadtmarketing, dem „Aktionsring Altenhundem“, der „Werbegemeinschaft Meggen“ und „Igel“ (Interessengemeinschaft der Elsper und Grevenbrücker Einzelhändler), stattfinden.
Wie soll mit den Ergebnissen von „Lennestadt 2030“ umgegangen werden und wie ist der weitere Verlauf bis zum Jahr 2030 geplant?
Nächstes Jahr feiern wir 50 Jahre Lennestadt. Im Rahmen dieses Jubiläums werden wir auch im Januar die Ergebnisse präsentieren. Die Homepage www.lennestadt2030.de wird noch bis zum Ende des Jahres geschaltet sein, und dann werten wir aus. Hier im Hause werden Mitarbeiter die Ergebnisse des Votings für die einzelnen Szenarien bündeln. Daraus werden wir ein Entwicklungskonzept erarbeiten, bei dem besonders die Punkte berücksichtigt werden, die auf die größte Zustimmung in der Bevölkerung gestoßen sind.
Wenn wir jetzt ein bisschen träumen und gemeinsam durch einige Ortsteile von Lennestadt im Jahr 2030 laufen, was sehen wir dann?
Die E-Scooter sehe ich auf jeden Fall! E-Mobilität ist ein ganz wichtiges Thema. An solche Punkte wie am Krankenhaus in Altenhundem, wo auch das „Josefinum“ und das Hospiz sind, könnte auch ein E-Bus kommen, meinetwegen alle halbe Stunde, der autonom vom Versorgungszentrum Krankenhaus zum Bahnhof fährt. So können auch ältere Leute, die nicht mehr Auto fahren, mobil bleiben, und mit dem Zug weiterfahren oder Besorgungen im Stadtzentrum erledigen. Außerdem sehe ich auch die Jugendlichen, die jetzt noch sagen, ich komme nicht zurück, wieder hier, weil sie hervorragende Arbeitgeber haben und sich auch ihre Ehepartner, die möglicherweise aus der Stadt kommen, hier wohl fühlen. Es gibt eine sehr gute Versorgung hier, keine Arbeitslosigkeit, keine Kriminalität, die Kinder können draußen spielen, aber auch zu Vereinen gehen, die Eltern können ins „PZ“ gehen oder in den „Kulturbahnhof“, wo ein erstklassiger Steinway-Flügel steht. Es gibt alles hier, nur eben keinen Dom und keinen Rhein!
Wie gesagt komme ich aus Lennestadt-Altenhundem, aber mein Blog ist für und über das gesamte Sauerland. Die Probleme der Zukunftsgestaltung sind von Hagen bis Winterberg teils verschieden, aber häufig auch sehr ähnlich. Soll und wird am Ende die gesamte Region von „Lennestadt 2030“ profitieren?
Das wäre natürlich schön, aber man darf sich auch nicht so wichtig nehmen, glaube ich. Ich sehe vieles im Zusammenhang mit der „Regionale 2025“. Da ist ein Team von Profis, von hauptamtlichen Mitarbeitern, das sich mit genau dem Thema beschäftigt. Hier läuft es mit, hier entwickeln wir Ideen, die wir auch einfließen lassen können. Der Tourist macht keine Grenze hinter Saalhausen, der fährt durch. Er könnte auch sagen, bevor ich in das Riesen-Skigebiet Winterberg fahre, könnte ich vorher abbiegen am „Fahlenscheid“ oder an der „Hohen Bracht“, da gibt´s das ja auch alles! Es gibt ja auch schon viele verbindende Elemente mit den Nachbargemeinden wie eine gemeinsame Kulturgemeinde oder die Schatzkarte, die von Lennestädtern wie Kirchhundemern gleichermaßen genutzt wird. Das kann ebenfalls noch weiter ausgebaut werden. Jeder Ort hat seine Besonderheiten, doch grundsätzlich sind die Interessen und Bedürfnisse der Sauerländer überall doch gleich!
Das Gespräch mit Herrn Steinberg hat mich in meiner Ausgangsfrage nicht nur beruhigt, sondern begeistert. Nun bin ich überzeugt, dass Lennestadt aufgrund der geplanten Maßnahmen sogar noch schöner wird, als es jetzt schon ist. Wie bei einem echten Schatz funkeln hier zahlreiche Diamanten, Perlen und Goldmünzen, die es nur zu entdecken gilt…
Wenn du aus Lennestadt kommst, gestalte auch du die Zukunft deiner Heimat mit und gib dein Voting zu den einzelnen Szenarien unter www.lennestadt2030.de ab. Wenn du nicht zu den glücklichen 26.000 gehörst, bist du natürlich herzlich eingeladen, unseren Schatz für dich zu entdecken und dich ebenfalls auf Suche nach Diamanten und Perlen in deinem Dorf zu machen. Wie Herr Steinberg schon sagte, viele Ideen lassen sich leicht umsetzen, es muss sie nur jemand haben!
„Lennestadt 2030“, Stadt Lennestadt, Thomas-Morus-Platz 1, 57368 Lennestadt