
ODER: WIE EIN ALTES BUCH EIN GANZES SCHLOSS SANIERTE…
Ein wenig verwundert war mein Vater schon, als ich ihm erzählte, dass ich Schloss Körtlinghausen besuchen möchte. Schließlich hatte er hier vor vielen Jahren Erste-Hilfe-Kurse für den „Bundesverband für den (Katastrophen-)Selbstschutz“ absolviert, war durch einen verrauchten Keller gerobbt und hatte sich von einem Turm abgeseilt. Soll damals wohl nicht sooooo viel von Schloss-Feeling gehabt haben… Und so schön, wie es auch seinerzeit schon von außen ausgesehen hat, war es im Inneren nicht: Über den PVC-Böden hing der Muff der Jahre. Umso gespannter war ich, als ich mich auf den Weg nach Rüthen-Kallenhardt machte.
Ein Barock-Schloss mitten im Sauerland
Rom wurde nicht an einem Tag gebaut, und das barocke Wasserschloss Körtlinghausen eben auch nicht. Es dauerte über dreißig Jahre, von 1714 bis 1746, bis die Gesamtanlage in ihrer heutigen Form entstanden war. Der Bau der einzelnen Gebäude lässt sich wunderbar an der jeweils angebrachten Jahreszahl mit Wappen des jeweiligen Bauherrn ablesen, denn allein schon die Entstehung des Schlosses war ein generationsübergreifendes „Projekt“.
Seit 1830 befindet es sich im Besitz der Familie von Fürstenberg, einem westfälischen Adelsgeschlecht. Die Familie war schon immer offen für Innovationen: Bereits 1910 wurde hier Strom durch eine Wasserturbine erzeugt und 1958 die erste Motorsäge in Betrieb genommen. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg war das Schloss an die Caritas vermietet, von 1956 bis 1994 als Tagungsort und Trainingsgelände an den oben erwähnten „Bundesverband für den Selbstschutz“.
Heute finden hier Events wie Hochzeiten oder Konzerte statt. Dass die „Westfalen Classics“ am vergangenen Sonntag hier Halt machte, ist inzwischen auch schon Tradition. Welch angemessenere Kulisse für ein Streichquartett mit Begleitung auf dem Flügel könnte es auch schon geben!?
Irgendetwas muss also hier passiert sein, was das Schloss wieder zum „Märchenschloss“ machte:
Geschäftsführerin und Inhaberin Dorothea Freifrau von Fürstenberg im Gespräch
Wir alle träumen davon, in einem Schloss zu wohnen. Schnell fallen einem da aber auch Themen wie Heizkosten und Renovierungen ein… Ist es wirklich ein Traum, hier zu leben?
Traum ist vielleicht das falsche Wort. Wir nennen es unsere „schöne Last“. Wir sind den Generationen vor uns sehr dankbar, dass sie den Familienbesitz so erhalten haben. In dieser Tradition des „Bewahrens“ und trotzdem mit der Zeit gehen sehen wir uns auch. So fühlen wir uns mehr als Besitzer und Verwalter für die nächsten Generationen und nicht als Eigentümer, welcher nach Lust und Laune verfügen kann. Es ist schon so, dass Eigentum verpflichtet. Aber es ist auch eine schöne und vor allem sinnvolle Arbeit, die sehr viel Freude macht.
Schloss Körtlinghausen wurde in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erbaut. Wie schafft man es, den Standort fit für die Zukunft zu machen?
Meine Schwiegereltern haben das Schloss von 1999 bis 2004 komplett renoviert. Im neuen Glanz erstrahlt ist es ein wunderschöner Ort für jegliche Art von Events, von Hochzeiten hin zu privaten oder Firmen-Feiern. Dass unser Plan aufgeht, zeigen die Reservierungen, die bereits jetzt schon für das Jahr 2020 eingegangen sind.
Das ist aber nur der eine Aspekt. Wichtig war schon meinen Schwiegereltern besonders eine nachhaltige energetische Sanierung. Das komplette Gut wird seit 1980 über eine Hackschnitzelanlage beheizt; das Holz dafür kommt zu Teilen aus unseren eigenen Wäldern. So sind wir in dieser Hinsicht völlig autonom. Außerdem haben wir eine alte Wasserturbine saniert und eine Photovoltaikanlage auf einem Nebengebäude errichtet, sodass wir auch unseren eigenen Strom produzieren können. Nicht nur in Hinsicht auf wirtschaftliche, sondern auch auf ökologische Vorteile war uns das enorm wichtig.
Auch im Inneren haben wir darauf geachtet, besonders viel von der Tradition des Schlosses zu bewahren. Das Holz für den Fußboden im Obergeschoss sind zu Parkett aufgearbeitete alte Dielen aus dem Schloss – sogenannte Altholzverwertung -, die eine authentische Atmosphäre bieten. 2004 wurde das Schloss sogar mit einem „Denkmalschutzpreis“ belohnt.
Besonders interessant ist, wie die aufwändige Sanierung finanziert wurde: Die Familie von Fürstenberg hatte das „Stammheimer Missale“ in ihrem Besitz. Das ist ein sehr kostbares Messbuch, das etwa um 1170 in einem Kloster in Hildesheim geschrieben wurde. Nachdem der damalige Ministerpräsident Gerhard Schröder interessiert war, es für Land Niedersachsen zurückzukaufen, ging es 1997 an das J. Paul Getty Museum in Los Angeles. Wieder ein Beispiel, wo längst vergangene Generationen den Grundstein für die Gegenwart und Zukunft gelegt haben.
Was haben Sie gedacht, als Sie das Schloss zum ersten Mal gesehen haben?
Ich komme ursprünglich aus Bayern, aber mein Mann ist hier aufgewachsen. Als ich zum ersten Mal herkam, dachte ich: „Kann der nicht eine Drei-Zimmer-Wohnung haben?“. Aber im Ernst, ich kannte durch meine Familie auch die Verpflichtungen, die solch große Häuser mit sich bringen, und wusste, worauf ich mich einlasse. Den Prinzessinnen-Traum habe ich aber tatsächlich nie geträumt.
Haben Sie einen Lieblingsraum im Schloss?
Ja, das ist der „Rote Salon“. Von drei Seiten des Raumes kann man den herrlichen Ausblick in den Schlossgarten genießen. Das liegt an der damals für das Sauerland eigentlich untypischen H-Form des Schlosses. Jeweils die Eckzimmer bieten dann diesen wunderbaren Rundumblick. Den „Roten Salon“ würde ich als Arbeitszimmer nutzen. Schließlich verbringt man hierbei den größten Teil des Tages, und beim Schlafen sieht man ja nichts.
Sie leben im Grünen, es gibt auf demGut regenerative Energien, die Landwirtschaft ist ökologisch. Was bedeutet das für Sie persönlich?
Das eigentlich schon abgedroschene Wort „Nachhaltigkeit“ ist genau das, was uns – und Generationen vor uns – am Herzen liegt. Im Wald pflanzen wir Bäume, die frühstens die übernächste Generation nutzen kann. Wir denken in sehr großen Zeitabschnitten. Dass das alles nur in Einklang mit der Natur und der Welt um uns herum passieren kann, ist völlig klar! Diesen ökologischen Weitblick hatte mein Schwiegervater schon, als er 1980 die Landwirtschaft nach biologisch-dynamischer Bewirtschaftung („Demeter“) verpachtete. Er hat den Zeitgeist früh erkannt und sich immer an Neuerungen gewagt.
Woran denken Sie, wenn sie das Wort „Sauerland“ hören?
Ich denke an grüne Täler, Flüsse und Berge, an etablierte mittelständische Unternehmen, an Idylle und an Naherholung für das Ruhrgebiet.
Neben Ihrem Schloss, welche Orte im Sauerland würden Sie meinen Lesern empfehlen?
Die „Bruchhauser Steine“ bei Olsberg sind eine Besichtigungswanderung wert, und auch der dort entlangführende Rothaarsteig ist eine wundervolle Wanderstrecke. Wenn ich ganz in der Nähe bleibe: Auch Kallenhardt hat mit Pilgerweg „Dreiklang“, dem historischen Rathaus, dem BikePark und der Whisky-Brennerei einiges an Attraktionen zu bieten.
Klar ist, es hat sich einiges getan! Papa wird sich (schon wieder) wundern 😉 Wenn du dir auch ein „neues“ Bild von Schloss Körtlinghausen machen willst, hast du folgende Möglichkeiten: a) Du machst einen zauberhaften Spaziergang und genießt den Blick auf die Anlage – ein Traum! b) Du machst eine Schlossführung. Nach Terminvereinbarung erhalten hier Gruppen bis zwanzig Personen jede Menge historischer Informationen und interessante Einblicke; die Kosten betragen 6 Euro pro Person. c) Du feierst dein nächstes großes Fest auf Schloss Körtlinghausen – es ist für jeden Anlass geeignet! In jedem Fall: viel Spaß!
Schloss Körtlinghausen, Körtlinghausen 5, 59602 Rüthen-Kallenhardt
hab ein schönes Wochenende
LikeGefällt 1 Person