
ODER: EIN SAUERLÄNDER AUF DER GROSSEN LEINWAND…
Noch schnell etwas zu essen geholt, nebenbei noch die Küche aufgeräumt, und schon hast du die entscheidende Wendung des Films verpasst!? Dabei hätte es sich eigentlich gelohnt, dass du dich voll und ganz auf die Geschichte eingelassen hättest… Im Kino kann dir das nicht passieren, denn das hat mehr als Popcorn-Duft, gedimmtes Licht und bequeme Sessel zu bieten – hier kannst du den echten Zauber eines Films erleben und tief in andere Welten eintauchen. Und manchmal entdeckst du dabei auch ein bekanntes Gesicht, so wie das von Jonas Kaufmann aus Attendorn:
Berlin hat Attendorn noch schöner gemacht
Jonas, viele träumen davon, Schauspieler zu werden, du hast es tatsächlich gemacht, von 2019 – 2020 in der TV-Serie „Schloss Einstein“ gespielt und nun dein Kino-Debut absolviert. War das schon immer dein Traum, oder wie bist du zur Schauspielerei gekommen?
Das war so nicht geplant! Erste Berührungspunkte hatte ich in der Grundschule, da habe ich bei einem kleinen Musical mitgespielt. Dass ich das wirklich ernst genommen habe, kam dann erst ein paar Jahre später auf dem Gymnasium. Wir hatten eine English-Drama-Group und haben zum Beispiel „Hamlet“ oder „Romeo und Julia“ aufgeführt; bei beiden hatte ich die Hauptrolle und habe zum ersten Mal gemerkt, wie cool es ist, auf der Bühne zu stehen. Damals war ich in der siebten Klasse; mein Spielpartner, der schon im Abi war und mit dem ich mich sehr gut verstanden habe, hat mir ein Casting für „Schloss Einstein“ geschickt. Dann habe ich meine Mama gefragt, bin am nächsten Wochenende mit ihr nach Erfurt gefahren, habe eine eigentlich sehr schlimme Erfahrung gemacht, bin heulend zurückgefahren, und dann kam drei Wochen später tatsächlich der Anruf, dass sie mich gern für die zweite Runde hätten. Das war der erste große Sprung für mich, dass ich über die Schulbühne hinaus etwas vor der Kamera gemacht habe. Erst dann habe ich mich ernsthaft mit Zukunftsplänen beschäftigt – ich kann aber erst jetzt mit 19 behaupten, dass ich den Traum habe, Filmemacher zu werden. Und ich sage bewusst Filmemacher, weil bei mir der Regieaspekt in den letzten Jahren dazu gekommen ist; dankbarerweise lassen sich Regie und Schauspiel auch gut miteinander vereinbaren.

Von der Schul-AG vor die Kamera – wie war es für dich, plötzlich an einem professionellen Filmset zu arbeiten?
Bei „Schloss Einstein“ haben wir uns auch hinter der Kamera richtig gut gekannt, dadurch war eine ganz lockere und angenehme Atmosphäre am Set. Erst beim Dreh von „Himbeeren mit Senf“ habe ich gemerkt, wie wichtig so eine entspannte Umgebung ist. Am Anfang hatte ich ein bisschen Schwierigkeiten, da reinzukommen und diese Dimension zu verstehen; dass da so viele Leute und Abteilungen in einer so professionellen Art und Weise an etwas arbeiten, hat mich dann doch nochmal auf einer anderen Ebene gefordert. Auch das hat mir sehr viel Spaß gemacht, und ich habe mich mit den Leuten super verstanden – die Erfahrung war wichtig und ich habe auf jeden Fall sehr viel gelernt.

Aktuell läuft „Himbeeren mit Senf“ im Kino, bei den Dreharbeiten 2020 stecktest du gerade in den Vorbereitungen fürs Abitur. Wie hast du das alles unter einen Hut bekommen, wie waren die Reaktionen deiner Mitschüler?
Das war ein Stück verrückt, würde ich sagen… Die größte Reaktion kam von meinem Schulleiter. Es gab nämlich das Problem, dass das deutsche Schulsystem es nicht erlaubt, Punkte fürs Abitur zwischen den Bundesländern zu übertragen. Für „Schloss Einstein“ war ich jeweils mehrere Monate in Erfurt – das lief dann so ab: Vormittags Schule, nachmittags drehen. In meinem zweiten Jahr bin ich dann in die Oberstufe gekommen und hatte da nur die Chance, vormittags in die Schule zu gehen, um die Schulpflicht zu erfüllen, und nachmittags neben den Dreharbeiten noch Schulstoff aus der Heimat zu pauken, um da dann auch die Punkte zu bekommen. So gesehen habe ich dann ein bisschen Doppel-Schule gemacht, und deswegen war auch klar, dass es nach dem zweiten Jahr „Schloss Einstein“ kein weiteres Filmprojekt geben sollte. Und dann habe ich ein Jahr später wieder beim Direktor angeklopft und gesagt, dass ich noch einen Film drehen möchte, dieses Mal in Luxemburg – das war schon alles nicht ganz einfach… Aber es hat geklappt, da kann ich auch nur meiner mentalen Hilfe namens Mama danken, denn ich habe es gelernt, während des Filmdrehs fokussiert und eigenständig zu arbeiten. Das hat mir übrigens auch für die nächste Lockdown-Zeit sehr geholfen, denn ich war es ja gewohnt, mich auf den Hintern zu setzen und aus der Distanz zu lernen.

Natürlich kannst du nicht zu viel verraten, aber ein kleiner Teaser muss sein! Worum geht´s in dem Film?
„Himbeeren mit Senf“ erzählt die Geschichte der dreizehnjährigen Meerie, die sich zum ersten Mal in ihrem Leben verliebt, und zwar in Rocco, den ich spiele. Parallel dazu geht es auch noch um den Verlust ihrer Mutter, die gestorben ist, und den Versuch des Neuaufbaus einer Familie. So gesehen hat Meerie einen dicken Brocken an Gefühlen, mit denen sie umgehen muss, und dann auch noch das Problem, dass Rocco ihre Gefühle nicht erwidert. Der Zauber der ganzen Geschichte – wenn Liebe Flügel verleiht – wird auch visuell umgesetzt, indem Meerie manchmal ein bisschen vom Boden abhebt.
Du spielst also einen Teenie-Schwarm… Könntest du dir vorstellen, auch mal einen bösen Charakter darzustellen?
Ich durfte sogar schon einen richtig bösen Charakter darstellen, und zwar in dem Kurzfilm „Vampirates“ von Franziska Pohlmann. Da spiele ich einen Psychopathen, der der Macht seines Vaters unterliegt und die Aufgabe hat, verschiedene Intrigen zu verbreiten. Das war neben meiner neuen Rolle in „Morgen irgendwo am Meer“, der wahrscheinlich Ende des Jahres in die Kinos kommt, meine bisher spannendste Rolle, mit der ich mich beschäftigen durfte. Also, nett oder böse – beides cool!
Wie war es für dich, „Himbeeren mit Senf“ auf der großen Leinwand zu sehen?
Ich habe den Film schon sechs, sieben Mal gesehen; das erste Mal war im Oktober 2021 in Amsterdam, da hatten wir unsere Weltpremiere auf dem „Cinekid Festival“. Ich hatte also schon Zeit, ihn zu verarbeiten… Es ist wirklich urkomisch, sein eigenes Gesicht drei Meter quer über die Wand gestreckt zu sehen, manchmal muss man auch kurz wegschauen, manchmal ist man aber auch ein bisschen stolz. Ein Mix der Gefühle – es ist schön, komisch und interessant zugleich.

In Zeiten von Netflix und Co. werden viele Produktionen ausschließlich für die Streaming-Dienste gedreht. Was macht das Kino so besonders?
Das Kino ist in unserer Gegenwart noch der einzige Ort, an dem wir uns für einen gewissen Zeitraum kollektiv entscheiden, uns nur einer Sache zu widmen. Diese Widmung kann große Kraft entfalten, wenn wir uns auf das Gezeigte audiovisuell einlassen. In dem Sinne sehe ich – und das ist jetzt vielleicht etwas pathetisch – große transformative Kraft im Kino. Deswegen bin ich manchmal auch etwas traurig, wenn ich sehe, wie groß der Anteil des Contents ist, den wir uns nur auf kleinen Handybildschirmen anschauen, wo außenherum neben diesem Bildschirm noch so viel anderes passiert.

Arbeitest du aktuell auch an weiteren Filmprojekten?
Letztes Jahr habe ich als Regie meinen ersten eigenen Dokumentarfilm gedreht, der ist jetzt gerade in der Endphase; schauspielerisch bin ich gerade in einigen Casting-Prozessen und habe eventuell dieses Jahr noch die Möglichkeit, einige Sachen zu drehen. Eigentlich läuft das gerade auch fast schon nebenher, denn ich bin nach Berlin gezogen, um Philosophie zu studieren. Klingt vielleicht lustig, aber ich musste mir eingestehen, dass ich ein intuitiver Mensch bin und rational Dinge manchmal gar nicht so begreifen kann. In der Schule hatte ich zwar keine Berührungspunkte mit Philosophie, aber ich war mir plötzlich ganz sicher, dass ich das studieren muss. Das lässt sich aber auch gut mit der Schauspielerei vereinbaren – ich studiere Philosophie nicht, um irgendwann Professor zu werden –, denn ich habe mir da jetzt gerade ganz coole Seminare herausgesucht, es gibt auch einige Philosophen, die sich mit dem Medium Film auseinandergesetzt haben, das ist schon sehr interessant. So kommt das dann wieder zusammen…

Hast du selbst Vorbilder im Schauspieler-Bereich?
Ich habe verschiedene Schauspieler, die ich echt super finde, aber nicht den einen. Ich fand zum Beispiel Cate Blanchett in „Tar“ sehr beeindruckend… Und als Idol würde ich Werner Herzog nennen, der hauptsächlich Regisseur und Autor ist, auch ein paar schauspielerische Sachen gemacht hat – seine Arbeit fasziniert mich sehr!

Bist du noch oft im Sauerland? Und was darf bei einem Heimatbesuch auf keinen Fall fehlen?
Bigge und Freunde, ganz klar! Ich bin schon hin und wieder hier, aber die Distanz macht es ein bisschen schwer, häufiger zu kommen. Irgendwie hat Berlin Attendorn und das Sauerland aber noch schöner gemacht… Man lernt die Sachen dann doch noch einmal ganz anders zu schätzen, und das ist auch gut so. Ich freue mich immer wieder, nach Hause zu kommen!
Diese und nächste Woche läuft „Himbeeren mit Senf“ noch im „JAC“ in Attendorn und in vielen anderen Kinos deutschlandweit – DIE Gelegenheit, dich endlich mal wieder so richtig verzaubern zu lassen!

https://www.instagram.com/kaufjonas/
Die Fotos von „Himbeeren mit Senf“ (Fotograf: Michael Saxer) sowie von Jonas in der College-Jacke und im Anzug (Fotograf: Sven Serkis) wurden mit freundlicher Unterstützung von Jonas Kaufmann zur Verfügung gestellt.