
ODER: WIE KUH ERNA AUF DEN PFERDERÜCKEN KAM…
Auf ihrer bayrischen Alm ahnt Kuh Erna noch nicht, dass das der letzte Tag ihres glücklichen Kuhlebens sein würde. Schließlich wurde sie hier viele Jahre gut versorgt, um eines Tages auf dem Teller zu landen. Gut, dass Erna das nicht weiß. Wenn sie es aber wüsste, würde sie sich sicherlich wünschen, dass so wenig wie möglich von ihr im Abfalleimer landet. Von den vielen Almaufstiegen ist sie schließlich noch in Top-Form, ihre Haut zum Beispiel ist ganz straff und frei von Cellulite. Erna würde sich bestimmt wünschen, dass sie sozusagen ein zweites Leben bekommt und in irgendeiner Form noch ganz lange erhalten bleiben kann. Aber so richtig zum Staunen bringen würde sie, dass ihre Haut sogar auf einem Rittergut im Sauerland und dann auf dem Rücken eines Pferdes landen wird:
Rittergut Wildshausen
Das Rittergut, dass im 15. Jahrhundert zur Versorgung der schon längst verfallenen Wasserburg Wildshausen erbaut wurde, befindet sich seit 1888 im Besitz der Familie Cosack. „Erst“ würde man sagen, wenn man wüsste, dass die schon immer im Sauerland ansässige Familie einen lückenlosen Stammbaum bis 1364 aufweisen kann, „schon“, wenn man bedenkt, dass es die Hofsattlerei seit 2004 gibt.
Tarquin Cosack lernte von Kindesbeinen an, was Verantwortung für den Familienbesitz bedeutet – ein Wissen, dass er heute auch an seinen vierzehnjährigen Sohn weitergibt. Bei solchen Besitztümern denkt man nämlich nicht in Jahren, sondern in Generationen. Und so kostete es ihn keinen Moment des Überlegens, als sich seine Eltern 2004 recht plötzlich zur Übertragung des Anwesens entschlossen, obwohl er gerade erst einmal 22 Jahre alt war und sich am Ende seiner dreijährigen Ausbildung zum Sattler befand. Zu der war er übrigens durch seine persönliche Pferde-Affinität gekommen. Seitdem er denken kann, reitet er auch; 1999 wurde er sogar Deutscher Vize-Meister. Diese Leidenschaft wollte er mit einem Handwerk verbinden, und so bekam er durch seine Kontakte einen Ausbildungsplatz beim Marktführer in diesem Bereich.
Das Haupthaus hat 900 Quadratmeter, dazu kommen die Nebengebäude. Allein für die Kosten der Erneuerung der Fenster hätte Tarquin ein schönes Einfamilienhaus im Neubaugebiet bekommen.
Da das ja für ihn nicht in Frage kam, brauchte es eine intelligente Idee, um das Anwesen unterhalten zu können. Unmittelbar nach der Prüfung gründete er also eine sogenannte „Ich-AG“, eine damals übliche Unternehmensform. Die hervorragende Qualität der Produkte sprach sich schnell herum, aus dem „Ich“ sollten bald mehr werden. Hier stand Tarquin allerdings vor dem eingangs erwähnten Problem: Es gibt kaum ausgebildete Sattlerinnen auf dem Stellenmarkt. Also bildete sich kurzerhand sein Team selbst aus – aus einem sind inzwischen sieben geworden. Da für den Beruf zwingend reiterliche Erfahrung erforderlich ist, aber kaum Männer reiten (zumindest im Hobby-Bereich), ist es nun wirklich nicht verwunderlich, dass Tarquin in der Hofsattlerei der Hahn im Korb geblieben ist.
Hofsattlerei Cosack
In Deutschland leben ca. 1,3 Millionen Pferde, wovon der größte Teil für Freizeit und Sport genutzt – sprich geritten – wird, 10 bis 15 Prozent der Tiere betreiben sogar Hochleistungssport. Knapp 4 Millionen Menschen in Deutschland bezeichnen sich selbst als Reiter (78% davon sind Frauen), über 1 Millionen davon betreibt den Sport intensiv. Wir sprechen folglich von einer gigantischen Anzahl von Fällen, wo die Verbindung zwischen Pferd und Reiter, also der Sattel, perfekt sitzen muss. Die verfügbaren Zahlen über die noch bestehenden Sattlereien sprechen hingegen eine andere Sprache: Im vergangenen Jahr gab es landesweit noch 350 Auszubildende in dem Beruf, allerdings aufgeteilt auf die unterschiedlichen Fachrichtungen. Ein Handwerk also, das vom Aussterben bedroht wäre, würde es nicht immer wieder Menschen geben, die sich dieser Aufgabe mit Leidenschaft hingeben und sich dazu noch um die nachfolgende Sattler-Generation kümmern.
Als „Sattlerei – Fachrichtung Reitsport“ konzentriert sich die Hofsattlerei Cosack in erster Linie auf Anfertigungen für Pferd und Reiter im Maßbereich. Im Showroom wird lediglich eine kleine Auswahl der Sättel präsentiert, da es im Bereich der individuellen Anfertigung schier unendlich viele Gestaltungskombinationen gibt.
Häufig passiert es sogar, dass der Pferdebesitzer nach Fertigstellung kaum glauben kann, welch schönes Stück er da in Auftrag gegeben hat. Doch fangen wir von vorn an: Während Ernas Leder sich schon in der Anreise befindet, wird irgendwo anders ein Pferdekörper mit Spezialinstrumenten ganz genau vermessen.
Auch der Körper des Reiters findet selbstverständlich Berücksichtigung – im Gegensatz zu Konfektions-Sätteln kann hier auch auf besondere Erfordernisse wie zum Beispiel Übergewicht eingegangen werden. Aufgrund dieser Ergebnisse und der individuellen Wünsche des Auftraggebers wird eine Skizze angefertigt, auf der die Passform, gewünschte Details und verwendete Materialien schon zu erkennen sind.
Endlich kommt Ernas Haut zum Einsatz. Diese ist bis zu fünf Millimeter dick und besonders gut geeignet, weil Erna aus Bayern kommt. Es gibt nämlich in Deutschland ein Nord-Süd-Gefälle, was die Qualitätsgüte der Lederfasern angeht: Während die Kühe im Norden auf der „platten Wiese“ ein recht mildes Klima erleben, sind sie im gebirgigen Süden doch ganz anderen Anforderungen ausgesetzt und haben ein wesentlich festeres Fasergefüge. Bevor die Kuhhaut dann als Leder ins Sauerland kommt, wird es rein pflanzlich, also umwelt- und abwasserschonend, gegerbt. Teile von Erna werden also als nachhaltig produziertes Naturprodukt noch eine ganze Zeit lang weiterleben.
In der Hofsattlerei arbeitet immer nur eine Person an einem Sattel, die dann das Skizzieren und Konstruieren, das Zuschneiden und Vernähen übernimmt. Das erfordert natürlich ein ganz anderes Anforderungsprofil von den Sattlerinnen als würden die einzelnen Schritte jeweils arbeitsteilig durchgeführt. Aber es führt eben auch zu einem erkennbar anderen Ergebnis, wenn alles „aus einem Guss“ kommt. Insgesamt dauert es eine ganze Arbeitswoche, bis der Maßsattel fertig ist; Maßanfertigungen haben eine Lieferzeit von drei bis vier Monaten. Qualität braucht eben seine Zeit…
Während Erna ja noch recht viel Glück gehabt hat, unterliegt der Körper des Pferdes – wie ja auch der menschliche Körper – dem Lauf der Zeit. Je mehr Kontinuität allerdings in den Lebensgewohnheiten wie Fütterung und Bewegung herrscht, desto gesünder ist das Tier und desto länger passt der Sattel. Da die Natur aber nicht immer aufzuhalten ist, werden schon bei der Herstellung Anpassungsmöglichkeiten in die Sättel eingearbeitet. Wie lange ein Sattel anpassbar ist, ist schließlich nicht eine Frage des Portemonnaies, sondern ganz besonders wieder auch der Nachhaltigkeit.
Nicht-Reitern wie mir ist häufig nicht ganz klar, warum die exakte Passform des Sattels so enorm wichtig gleichermaßen für Pferd und Reiter ist. In vielen Sportarten, etwa beim Golf, kann man einen Bewegungsablauf so lange einstudieren, bis er perfekt automatisiert ist. Beim Reiten muss die Bewegungskoordination des eigenen Körpers auf einem sich bewegenden Körper, der noch dazu seinen eigenen Kopf hat, funktionieren. Da wird auch jedem Laien klar, dass das „Zwischenstück“ optimal mit beiden Körpern harmonieren muss.
Praktisches Mitdenken sowie hochwertige Verarbeitung setzt sich auch bei den anderen Produkten der Hofsattlerei fort: Fahrradtaschen, die sich direkt an den Rahmen angurten lassen, wunderschöne Taschen, die aufgrund des robusten Materials „unkaputtbar“ sind, und allerhand andere Alltagsgegenstände von der Smartphone-Hülle bis zur Kleidung. Da jedes Teil ein Unikat ist, können immer auch individuelle Wünsche in die Verarbeitung eingebracht werden.
Die Hofsattlerei Cosack gehört heute deutschlandweit zu den fünf Top-Betrieben im Bereich Sattel-Maßanfertigung. Wir dürfen gespannt sein, auf welche Ideen die Familie Cosack noch kommt, um ihr Rittergut Wildshausen fit für die Zukunft zu machen…
Hofsattlerei Cosack, Rittergut Wildshausen, 59823 Arnsberg