
ODER: VON QUANTITÄT, QUALITÄT UND GANZ VIEL TIERLIEBE…
Dass Menschen Fleisch essen, ist normal und in Ordnung. Schließlich kamen unsere Vorfahren, die Jäger und Sammler, entgegen aller modernen Steinzeit-Diäten nicht nur mit Körnern, Beeren und Grünzeug zur Höhle zurück… Wie Menschen damit umgehen, dass Menschen Fleisch essen, ist hingegen häufig nicht in Ordnung. Millionen männlicher Küken zu schreddern, freiheitsliebende Hühner in Legebatterien zu zwängen, Huftiere in artuntypischen Verhältnissen zu halten und die eigene Jagd-Trophäe mit Einschussloch stolz bei Instagram zu präsentieren, ist meinem Empfinden nach höchst unmenschlich… Aber auch der militante Vegetarier, der angewidert auf deinen Teller starrt und fast ausschließlich über die Vorzüge eines fleischlosen Lebens berichtet, kann durchaus zur Belastungsprobe werden und den Appetit gründlich verderben… Leute, es geht doch letztendlich nur um einen vernünftigen Umgang mit den Tieren und deren Produkten. Es geht um Wertschätzung, Respekt, Nachhaltigkeit und letztendlich auch Genuss. Sicherlich ist es ein ganz anderes Geschmackserlebnis, wenn man ein Mal in der Woche ein hochwertiges Stück Fleisch genießt, als wenn man sich jeden Tag mehrere hundert Gramm „reinhaut“, möglichst günstig. Wenn die Konsumenten es schaffen, umzudenken, muss es auch Produzenten geben, die darauf eingestellt sind. Zwei ganz besondere davon habe ich in Sundern-Altenhellfeld besucht: Assimina Christopoulou und Michael Ehrkamp mit ihren Zwergzebus.
Das Zwergzebu
Auch wenn es wirklich gut in die Umgebung passt, stammt das kleine Zwergzebu des ceylonesischen Typs ursprünglich nicht aus dem Sauerland, sondern aus Ceylon, dem heutigen Sri Lanka. Ein Zwerg ist es deshalb, weil es mit einer Größe von 80 Zentimetern bis 1,15 Metern und einem Gewicht von 200 bis 400 Kilo etwa die Hälfte einer „normalen“ Milchkuh auf die Waage bringt. Seine rassetypischen Merkmale wie der gewaltige Buckel („Zebu“ heißt auf tibetanisch „Buckel“), die starke Wamme und die mächtigen Hörner machen es zu einer der Edelsten und Stolzesten unter den Rinderrassen.
Deshalb benimmt es sich aber nicht wie eine Diva, sondern es ist ganz im Gegenteil sogar ganz pflegeleicht: Es ist intelligent, bei guter Betreuung gut zu führen und sehr widerstandsfähig, sodass es keine Antibiotika oder Medikament benötigt, die sich später im Fleisch wiederfinden könnten. Es kann außerdem aus Duftdrüsen einen wildrosenartigen Geruch absondern, der es ebenso wie ein spezieller Fettfilm auf der Haut vor Zecken schützt. Ein wahres Wunderzebu also!
… „vom Gutshof Original“
Der „Gutshof Original“ ist Europas größter und exklusivster Zwergzebu-Herdbuchzuchtbetrieb. Hier leben 107 der kleinen Wildrinder (150 andere von Assiminas Zwergzebus lebt in der Schweiz). Klingt erstmal nicht gigantisch viel… Wenn du dann aber erfährst, dass es sich um eine vom Aussterben bedrohte Rasse handelt, von der in Deutschland lediglich 200 reinrassige Exemplare leben, die noch dazu alle aus Assiminas Zucht stammen, gerätst du sicherlich ins Staunen. Du hast es also mit einem echt raren Exoten zu tun!
Die Liebe zu exotischen Tieren entwickelte Assimina schon in ihrer Kindheit. Sie züchtete die edelste Pferderasse, Vollblut-Araber, und Deutsche Doggen (beides macht sie auch heute noch). Sie war mit Michael viel in der Welt unterwegs und hat Scheichs aus Kuwait und Qatar bei der Pferdezucht beraten. Ein Scheich war es schließlich auch, der sie auf die kleinen Wildrinder brachte. Assimina und Michael bauten die Zwergzebuzucht in der Schweiz auf und arbeiteten stets an der Reinrassigkeit, die sie seit 18 Jahren erreicht haben.
Als der Hof zu klein wurde, zogen die Beiden im Frühjahr 2015 mit der Hälfte der Tiere ins Sauerland um, was in der Nähe von Assiminas alter Heimat, dem Bergischen Land, liegt. In den Hof und die Umgebung hat sie sich gleich verliebt.
Noch wichtiger ist ihr aber die Liebe zu ihren Tieren. Ganz ehrlich – das hat mit „Fleischproduzentin“ im herkömmlichen Sinne aber wirklich gar nichts zu tun. Assimina baut eine echte Beziehung zu jedem einzelnen Tier auf. Sie streichelt und massiert sie und sie erzählt ihnen Märchen, damit sie sich an ihre Stimme gewöhnen. Denn Assiminas Stimme ist das einzige Mittel, mit dem die Tiere kontrolliert werden, technische Hilfsgeräte gibt es dafür nicht. Die Tiere leben viele Jahre auf dem „Gutshof Original“ und werden nicht wie in der Massenproduktion noch unter zwei Jahren geschlachtet. Die älteste Kuh, „Anja Caramba vom Gutshof Original“ (alle Tiere tragen diesen Nachnamen), ist inzwischen 23 Jahre alt.
Durch diese innige Beziehung gelingt es Assimina, den geeigneten Zeitpunkt für den endgültigen Abschied für das individuelle Tier zu finden. Einige – wie der Bulle Zoltan – haben ihr zu verstehen gegeben, dass sie dazu nicht bereit sind. Diese dürfen ihr Gnadenbrot hier oder woanders verbringen und werden niemals geschlachtet – dazu fühlt sich Assimina durch ihren griechisch-orthodoxen Glauben verpflichtet.
Bei meinem Besuch wurde mir direkt klar: hier steht nicht das Fleisch im Mittelpunkt, sondern das Tier!
Eine Verkostung mit Profi-Köchen
Regelmäßig kommen auch Profi-Köche und Gastronomen aus der nahen und fernen Umgebung – dieses Mal aus dem Ruhrgebiet – auf den „Gutshof Original“, um sich einen persönlichen Eindruck von diesem engen Kreislauf von Tier und Fleisch zu machen. Verkostet wird im Wohnzimmer, gleich nebenan im Stall stehen die Rinder und Michael, der als gelernter Metzger für die fachmännische Zerlegung und Weiterverarbeitung zuständig ist, sitzt dabei und gibt wertvolle Informationen. Die Profis nennen das „From farm to table“. Diese persönliche Überzeugung von Qualität und Nachhaltigkeit wollen sie an ihre Gäste weitergeben und so allmählich die Konsumenten zum Umdenken bewegen: Klasse statt Masse!
Wie ich selbst erfahren durfte: Es lohnt sich! Durch die Art und Weise, wie die Zwergzebus auf dem „Gutshof Original“ leben und vor allem futtern können, bekommt das Fleisch seinen ganz eigenen Geschmack.
Rund 250 Gräser und Klee verleihen ihm ein ganz besonderes Aroma, das Gewürze nahezu überflüssig macht. Bei der Verkostung beispielsweise wurde es ohne Salz und Pfeffer serviert und nach Belieben in eine Mischung aus Oliven- und Trüffelöl mit Koriander eingetunkt. Auch getrockneter Rucola ist eine wunderbar ergänzende Komponente.
Michael führt Assiminas Arbeit nicht nur aus dem Grund perfekt fort, weil er ein „dry aged“-Fleisch wirklich acht bis zwölf Wochen kontrolliert reifen lässt, bis es den idealen ph-Wert erreicht hat, sondern ganz besonders, weil er ihre Philosophie teilt. Bei ihm gilt der Grundsatz „From Nose to tail“: Wirklich alles vom Tier wird verarbeitet und verzehrt. Denn wo jemand ein Steak genießt, ist noch ganz viel Kuh übrig…
Zum „Gutshof Original“ gehört seit kurzem auch die ehemalige Metzgerei in Lennestadt-Bilstein, wo geschlachtet und weiterverarbeitet wird. Einen klassischen Thekenverkauf gibt es nicht; die Produkte können aber jederzeit nach telefonischer Vorbestellung dort oder auf dem „Gutshof Original“ abgeholt werden. Außerdem ist eine Bestellung über den Online-Shop möglich, alle Produkte (außer Hackfleisch) werden frisch und gekühlt per Express verschickt.
So, das war nur ein kleiner Eindruck meines Besuches. Aber schließlich trifft man nicht jeden Tag die exklusivste Rinderrasse und probiert eine der teuersten Fleischsorten der Welt… Da muss man seine Eindrücke erstmal sammeln. Aber ich habe Assimina und Michael versprochen, bald wiederzukommen, weil mich die Philosophie hinter ihrer Arbeit sehr interessiert. Das ist der einzige Weg, wie Menschen mit dem Konsum von Tieren in Zukunft umgehen sollten. Natürlich kann man sich ein Stück Fleisch mit einem Durchschnitts-Kilopreis von 55 Euro nicht ständig leisten, aber wenn man es mit diesem ganzen Hintergrundwissen tut, schätzt man es ganz anders wert. Und demnächst ist ja auch Weihnachten 😉
Besucher sind auf dem „Gutshof Original“ übrigens jederzeit herzlich willkommen! (Das war eine Einladung…)
Zwergzebus vom Gutshof Original, Grevensteiner Straße 22, 59846 Sundern-Altenhellefeld; Tel.: 02934/401
Gesundes und super leckeres Fleisch. Alle Waren sind ein Genuss.
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