
ODER: ÜBER DEN WOLKEN MUSS DIE FREIHEIT WOHL GRENZENLOS SEIN…
Über den Feldern bei Finnentrop-Heggen dreht ein Segelflugzeug langsam seine Runden. Darin, von hier unten kaum auszumachen, nur der Pilot. Was für ein Gefühl muss das sein, ganz allein wie ein Vogel über das Sauerland zu schweben… Diesen gigantischen Ausblick auf die zauberhafte Landschaft zu genießen, fernab von allem Trubel und Verkehr, das ist wohl ein Privileg, das nur Wenigen vorbehalten ist. Wenn man schon für den Flug in den Jahresurlaub lange sparen muss, dann können sich so etwas sicherlich nur Millionäre leisten – dachte ich zumindest bis vorgestern. Als das Flugzeug nämlich zur Landung ansetzte, konnte ich erkennen, dass der Pilot gerade mal im Teenager-Alter war. Wie konnte das zusammen gehen?
LSC Attendorn-Finnentrop für Selbst-Flieger
Auf einem Hügel zwischen Finnentrop-Heggen und Attendorn-Ennest befindet sich der Flugplatz „Am Franzosenkopf“ mit seiner 600 Meter langen und 20 Meter breiten Landebahn. Begonnen hat alles vor über 85 Jahren mit einer Heggener und einer Attendorner Gruppe von Flugbegeisterten, die zunächst unabhängig voneinander ihr eigenes Flugzeug bauten. Im September 1932 wurden hier „Am Franzosenkopf“ die ersten zaghaften Flugversuche unternommen. Unterbrochen durch die Wirren des Zweiten Weltkrieges wurde im Jahr 1951 der LSC Attendorn gegründet, 1957 der Flugbetrieb an gleicher Stelle wieder aufgenommen und nach und nach das Gelände weiter ausgebaut. Heute heben hier neben den vereinseigenen Segelflugzeugen (zwei Einsitzer, zwei Doppelsitzer, ein Motorsegler) und dem Motorflugzeug, das die Segler in die Luft bringt und für Rundflüge genutzt wird, auch einige Modelle aus Privatbesitz ab.
Was du nun tun musst, um selbst Pilot zu werden? Erster Schritt, du trittst in den Luftsportclub ein. Der Monatsbeitrag beträgt für „Nicht-Verdiener“ (Schüler, Studenten, etc.) 47,50 Euro, für alle Anderen 67,55 Euro. Im ersten Moment mag das viel erscheinen, aber wenn du bedenkst, dass vom Flugzeug über Schleppmaschine hin zum Fluglehrer alles enthalten ist, und keine Fußballschuhe, Tennisschläger, Reithelme oder Spielkonsolen mehr benötigt werden, kommst du sicherlich zu einem anderen Schluss!? Dass die Kosten tatsächlich sogar vergleichsweise gering sind, liegt daran, dass von den 140 Vereinsmitgliedern nur 50 aktiv fliegen und viele kostenintensive Aufgaben von den Vereinsmitgliedern selbst übernommen werden.
Das ist allerdings nur ein Beispiel dafür, wie wichtig das Vereinsleben für diesen Sport ist. Damit du mit deinem Segler abheben kannst, brauchst ein ganzes Team, das dir dabei hilft, dein Flugzeug vor dem Start in die richtige Position und dich in die Luft zu bringen. Hier gilt das Prinzip: Eine Hand wäscht die andere…
Neben den 30 Pflicht-Arbeitsstunden, die jedes Mitglied während eines Jahres ableisten sollte, verbringen viele jedes Sonnen-Wochenende in der Saison von Ostern bis Oktober auf dem Flugplatz. 12.000 Quadratmeter Rasen wollen schließlich ordentlich für eine sanfte Landung gemäht sein. Und auch im Winter fallen zahlreiche Aufgaben an: die Flugzeuge werden komplett auseinandergenommen, gereinigt und gewartet.
Aber eigentlich wolltest du ja Pilot werden, kein Problem. Erste Voraussetzung, du bist mindestens 14 Jahre alt. Ja, in einem Alter, in dem du nicht mal Mofa fahren darfst, ist dir das Segelfliegen unbegrenzt erlaubt… Die medizinischen Voraussetzungen sind ebenfalls nicht so streng, wie du vielleicht glaubst. Eine Brille zum Beispiel ist kein Problem.
Wenn du dir noch nicht ganz sicher bist, kannst du erstmal bei einem Schnupperkurs Höhenluft schnuppern. Ansonsten absolvierst du direkt im ersten Modul 40 bis 60 Flüge zusammen mit deinem Fluglehrer im Doppelsitzer. Wenn er sowie ein zweiter Fluglehrer der Meinung sind, dass du gefahrlos fliegen kannst, hebst du zum ersten Mal allein ab. Einer ist aber auch dann noch bei dir: der rote Faden. Auf die Scheibe über das Cockpit geklebt gibt er dir jederzeit Aufschluss darüber, ob du richtig fliegst. Es ist nämlich gar nicht so leicht, die drei zur Verfügung stehenden Steuerruder im optimalen Verhältnis zueinander zu benutzen, denn besonders bei einer Kurve brauchst du auch die entsprechende Schieflage. Wenn der Faden gerade bleibt, alles gut, ansonsten sanft korrigieren, passieren kann auch nichts.
Im nächsten Modul wirst du auf deine Prüfung für die „SPL“ (Segelfluglizenz) vorbereitet: Du wirst auf den Einsitzer umgeschult und fliegst unter Aufsicht des Fluglehrers erste Thermikflüge und Manöver. Thermik ist überhaupt das zentrale Thema beim Segelfliegen: Wenn die Sonne die Erde und somit die Luft direkt über ihr erwärmt, entsteht ein Aufwind, mit dem logischerweise ein Segelflugzeug wieder an Höhe gewinnen kann.
Der sportliche Aspekt – oder die hohe Kunst – ist es nun, diese Thermik zu finden, um längere Flüge zu ermöglichen. Das Sauerland bietet sich hervorragend an, weil die Luftmassen von den großen Feldern gegen die Wälder gepresst werden und dann aufsteigen. Langstrecken-Flüge wollen aufgrund verschiedener Aspekte gut geplant sein, aber dank der modernen Daten- und Kommunikationstechnik können Wettersituationen früh erkannt werden, und Flüge im 700-800-Kilometer-Bereich sind heute beim LSC schon fast an der Tagesordnung. Um dich mit Piloten anderer Vereine oder sogar Länder zu vergleichen und zu messen, kannst du deine Leistungen in spezielle Listen (OLC: Onlinecontest) eintragen lassen. Wie bei eigentlich allen Sportarten gibt es den Wettkampfgedanken eben auch beim Segelfliegen…
LSC Attendorn-Finnentrop für Mit-Flieger
Wenn du nicht ganz so viel Zeit fürs Fliegen investieren möchtest, musst du trotzdem nicht darauf verzichten: Bei schönem Wetter kannst du während der Saison von Ostern bis Oktober an Wochenenden und Feiertagen auf dem Flugplatz vorbeischauen und eine Runde drehen. Eine Voranmeldung ist nicht nötig, da die Wetterbedingungen nun mal nicht geplant werden können. Wenn die Flugzeuge über Heggen kreisen und ein Pilot gerade verfügbar ist, wird er/sie dich sicherlich gern mitnehmen.
Vor jedem Flug findet ein ausführlicher Sicherheitscheck statt. Anschließend bekommst du vorsichtshalber deinen Fallschirm auf den Rücken, eine kurze Einweisung und schon geht´s los: Ein 25 Meter langes Seil zieht dich hinter dem Motorflugzeug her auf etwa 500 Meter Höhe.
Dann „winkt“ dieses noch einmal kurz mit den Flügeln, das Zeichen zum Ausklinken, und schon schwebst du mit 100 bis 280 Stundenkilometern frei wie ein Vogel durch die Luft. Es gibt keinen Stau und keine Ampel, du kannst quasi 3D in jede Richtung fliegen, sogar ein kleines Fensterchen öffnen und „Über-den-Wolken-Luft“ schnuppern – nur mit dem Piloten solltest du dir einig werden.
Die Zeit für den Segelflug kann nicht genau kalkuliert werden (wir erinnern uns, Thermik…), die Kosten betragen 40 Euro. Alternativ kannst du auch mit dem Motorsegler aufsteigen, der dann in luftiger Höhe den Motor ausstellt und „ganz normal“ weitersegelt. Die Kosten hierfür betragen 2 Euro die Minute. Flüge mit dem Motorflugzeug sind auch möglich für 5 Euro pro Minute; hier können bis zu drei Personen mitfliegen.
Die Landung außerhalb des Flugplatzes mit dem Segelflugzeug ist absolut keine Not-Landung, sondern eine Außen-Landung. Dies geschieht auch nicht im Falle eines Problems, sondern eher, wenn sich die Wetterlage unerwartet verändert und die Thermik nicht mehr ausreichend ist. Dies ist eine normale Situation, die auch schon während der Ausbildung geübt wird. Man möchte dies zwar verhindern, aber es kommt regelmäßig vor und ist normal.
LSC Attendorn-Finnentrop für Nicht-Flieger
Tatsächlich soll es auch Leute geben, die von dieser Faszination nicht angesteckt werden können, weil ein anderes Gefühl größer ist: Angst. Zu denen gehöre ich, definitiv! Natürlich hätte auch ich gern das wunderschöne Sauerland von oben gesehen und die beschriebenen Glücksgefühle erlebt, aber selbst physikalische Gesetze und glaubhafte Versicherungen konnten mich nicht überzeugen, dass es sich objektiv betrachtet um eins der sichersten Verkehrsmittel überhaupt handelt…
Dennoch: es war faszinierend! Die Flugzeuge (fast) hautnah beim Starten und Landen zu sehen, die Begeisterung der Piloten zu spüren und die Hintergründe des Segelfliegens zu erfahren, das war großartig! Somit lohnt sich ein Besuch beim LSC Attendorn-Finnentrop auch für Angsthasen – und vielleicht lässt sich doch der ein oder andere umstimmen!?
LSC Attendorn-Finnentrop (die Einfahrt zum Flugplatz findest du an der Milstenauer Straße)