SERIE „MATERIAL“: VOM NICHT GANZ SO EWIGEN EIS – ZU BESUCH IM „EISHÄUSCHEN HALLENBERG“

ODER: DAS COOLSTE UND KLEINSTE MUSEUM IN NRW

 

Laut Wetterbericht soll nächste Woche die „große Hitzewelle“ in Gesamt-Deutschland und somit auch im Sauerland anrücken… Wie bitte? Wo waren die denn die ganzen letzten Wochen? Ich warte ehrlich gesagt auf nichts anderes als das Ende der bestehenden Hitzewelle und sehne mich genauso nach einem kräftigen Regenschauer wie die vor Trockenheit ächzende Natur. Leider nicht in Sicht… Ich kann´s nicht ändern! Aber: Ich kann weiter nach „coolen“ Orten Ausschau halten, wo sich die hohen Temperaturen besser aushalten lassen. Nach der Atta-Höhle geht´s heute ins „Eishäuschen Hallenberg“; viel Spaß!

 

Joachim Knorra Eisgläser

 

Gekühlte Getränke vor 70 Jahren – so wurd´s gemacht

Am Ortsausgang Hallenbergs – von Winterberg kommend – liegt recht unscheinbar das „Eishäuschen“, das es aber absolut in sich hat! 1950 wurde es von der Dortmunder „Actien Brauerei“ errichtet, nachdem das erste Eishaus von 1915 bei einem Brand 1944 völlig zerstört wurde. Aus dem Zusammenhang „Eis – Brauerei“ wird schon deutlich, dass das Häuschen mit der Kühlung von Getränken zu tun haben musste.

 

Eishäuschen

 

Wenn der Eiskünstler Joachim Knorra, der seine Ausstellung hier zeigt, erzählt, wie genau es genutzt wurde, gerät man schon ins Staunen. Denn das Ganze spielte sich zur Zeit unserer Großeltern ab, nicht vor vielen hundert Jahren: Um im Sommer gekühlte Getränke und Speisen bei Festen und in der Gastronomie genießen zu können, machten sich im Winter Hallenberger Männer auf, um Eisvorräte aus dem umliegenden Bächen zu gewinnen. Allein die Zange, die zum Rausziehen genutzt wurde, wiegt gute fünfzehn Kilo, dazu kommt das variierende Gewichts des Eisblocks, der aus der gefrorenen Bachoberfläche gesägt wurde.

 

Eiszange

 

Das „Eishäuschen“ sorgte aufgrund seiner isolierenden Bauweise – Bruchsteinmauer, Hohlraum, Ziegelwand – dafür, dass das Eis bis zum Sommer Eis blieb. Daher durfte zur Entnahme die Tür auch nur ganz kurz geöffnet werden, und das um fünf Uhr morgens. Wieviel Körperkraft, wieviel Mühe, wieviel Aufwand und Voraussicht das erforderte, lässt einen staunen und neu wertschätzen, wie genial der Kühlschrank mit Eiswürfelzubereiter in der eigenen Küche eigentlich ist… Und nochmal, das war vor gerade erst 70 Jahren!

 

Joachim Knorra Herz

 

 

Joachim Knorra – Mit Rudi Carrell fing alles an…

 

Seine Leidenschaft für diese Kunst entdeckte Joachim Knorra schon als Sechsjähriger, als er in einer Rudi-Carrell-Show sah, wie aus einem Eisblock nach und nach eine wunderschöne Skulptur entstand.

 

Eiskünstler Joachim Knorra Hallenberg

 

Natürlich sind die Möglichkeiten eines Grundschülers, diesen Traum in die Wirklichkeit umzusetzen, aber begrenzt. Fast wie ein Wink des Schicksals wirkt es da, dass er im Zuge seiner Ausbildung zum Koch bei der Bundeswehr zu einem Lehrgang für die Gestaltung eines kalten Buffets geschickt wurde, bei dem eben auch Eisskulpturen geschaffen wurden. Schnell wurde aus dem ersten Lehrgang ein zweiter, und als sich dann auch noch herausstellte, dass sein dortiger Lehrer derjenige Eiskünstler war, den er bei Rudi Carrell gesehen hatte, gab es kein Halten mehr. Hobbymäßig schnitzt Joachim Knorra nun schon seit 30 Jahren, nebenerwerblich seit 25.

 

25 Jahre Eiskunst Knorra

 

Das inzwischen verfallende Eishäuschen brachte ihn auf die Idee, seine Kunst auch in einem Museum auszustellen. Gesagt, getan, wurde eine E-Mail an den Bürgermeister geschickt, die zustimmende Antwort kam, als der „Senden-Button“ kaum gedrückt war, und am 05. Juni 2010 konnte nach viel ehrenamtlichem Engagement das „Eishäuschen“ mit 23 Quadratmetern Ausstellungsfläche als das wohl kleinste Museum NRWs neu eröffnet werden. Natürlich im Original-Zustand, nur das Dach ist komplett neu, und der Stromanschluss natürlich auch.

Sein Atelier hat der Künstler in Hallenberg-Hesborn, wo er regelmäßig Küchenmeister aus ganz Deutschland zu Schnitz-Seminaren empfängt. Auch Anfänger können gern an einem Schnitz-Workshop teilnehmen (Anmeldung über die Homepage des Künstlers). Inzwischen sind es allerdings nur noch 15 Prozent der Skulpturen, die im Atelier entstehen. Die Vielzahl wird live direkt vor Publikum angefertigt, weil der Entstehungsprozess fast ebenso interessant wie das fertige Kunstwerk ist!

 

Joachim Knorra live schnitzen

„Klassische Schaustücke“ – Ausstellung zum 25. Eis-Jubiläum

 

Zu Anfang jeder Eisskulptur steht ein Eisblock mit den Maßen 65cm x 40 cm x 22cm, 50 Liter Wasser, 50 Kilo schwer, gerade noch zu tragen (also von ihm, nicht von mir…). Und vor allem: glasklar! Wenn du jetzt versuchst, einen eben solchen in deiner Truhe herzustellen und loszuschnitzen, wirst du enttäuscht sein, denn er wird ebenso weiß aus dem Kühler kommen wie das ungewünschte, am Rand festgefrorene Eis, was uns zum gelegentlichen Abtauen des Gerätes zwingt. Wie kommt man nun an diesen kristallklaren Block?

 

Eisblock

 

Diese Frage hat auch Joachim Knorra sich lange gestellt, mit Zusätzen getüftelt, vieles versucht. Es gab zwar Künstler, die ebenfalls solche Blöcke herstellten; diese wollten ihr Geheimnis aber nicht verraten. Durch die Beobachtung von gefrorenen Pfützen und Eiszapfen kam Herr Knorra schließlich auf die Lösung: Das Wasser muss beim Einfrieren ständig in Bewegung gehalten werden, um alle Luftblasen auszuschwemmen. Das erreicht er mit einem Röhrchen und einer Pumpe, wie bei einem Aquarium. Damit das Röhrchen nicht mitten im Eisblock festfriert, wird es nach drei Tagen ausgetauscht. Insgesamt dauert es sechs bis acht Tage, bis der Block komplett durchgefroren ist. Zehn davon hat der Künstler ständig auf Lager; für die Weihnachtsmärkte im Dezember, für die er zwei bis drei Tonnen Eis braucht, startet er die Produktion schon im Oktober.

 

 

Für eine Skulptur braucht Herr Knorra in etwa zwei Stunden. Den Eisblock, den er bei -20 Grad lagert, holt er schon zwei Stunden vorher aus der Truhe. Bei -42 Grad hätte Eis den Härtegrad von Marmor, bei -25 Grad von Eisen und bei -12 Grad den von Holz. Das ist die ideale Schnitztemperatur, damit der Block nicht aufgrund der Oberflächenspannung bei Berührung mit der Kettensäge zerspringt.

 

Joachim Knorra

 

Die Form wird mit der Kettensäge herausgearbeitet, für die feinen Arbeiten nutzt der Künstler spezielle japanische Meißel, die den gleichen harten Stahl wie Samurai-Schwerter besitzen.

 

 

Wenn man die fertige Figur aufstellt, dauert es je nach Witterungslage acht bis zwölf Stunden, bis man die Form nicht mehr erkennen kann, weitere zwei Tage, bis sie völlig verschwunden ist. Dieses „langsame“ Schmilzen ermöglicht den Transport; in Styroporkisten verpackt hat Joachim Knorra sie sogar schon unversehrt bis nach Wien ausgeliefert. Außerdem können so Geschenke verpackt werden, auf die man sich noch etwas freuen soll, bevor man sie in den Händen hält.

 

Knorra Objekteinfrierung Geld

 

Oder andere Kunstwerke und Produkte ganz besonders präsentiert werden.

 

Joachim Knorra Schuhe Objekteinfrierung

 

Und schließlich eröffnet die Umweltverträglichkeit und „selbstständige Entsorgung“ der Figuren auch die Möglichkeit, sie bei Bestattungen in Friedwäldern aufzustellen, wo kein Blumenschmuck angebracht werden darf. Das Wasser geht in die Erde, vielleicht mit einer letzten liebevollen Berührung der Hinterbliebenen.

 

Eisskulptur Friedwald Knorra

 

Neben diesen vielfältigen Auftragsarbeiten gestaltet Joachim Knorra auch regelmäßig neue Kunstwerke für seine Dauer-Ausstellung im „Eis-Häuschen“, die alle zwei Jahre wechselt. Nach „Wildtieren“, „Fabelhaften Wesen“, „Wanderzirkus“ und „Eisblumen“ sind in diesem Jahr zum 25. Jubiläum „klassische Schaustücke“ dran, die seit jeher beliebt bei Feiern und auf Buffets sind.

 

 

Bewundern kannst du diese besondere Eiskunst jeden ersten und dritten Samstag im Monat von 15:00 bis 17:00 Uhr.

 

Eishäuschen Hallenberg Schild

 

Der Künstler ist dann vor Ort, erzählt von der Vergangenheit des „Eishäuschens“, seiner Kunst und klärt alle Fragen rund ums Thema „Eis“. Der Eintritt ist kostenlos!

 

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Eishäuschen Hallenberg, Merklinghauser Straße 34, 59969 Hallenberg

www.eishauschen-hallenberg.de

 

Joachim Knorra: http://www.ekjk.de

 

 

 

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