VON GLITZERTÜRMCHEN UND STEINGARDINEN: 111 JAHRE ATTAHÖHLE

ODER: DER SCHATZ DER FÜRSTIN – ENDLICH GEFUNDEN!

 

Das Sauerland im Sommer 2018 – strahlend blauer Himmel, seit Wochen täglich mindestens 25 Grad, vielerorts erscheint die Landschaft wie ein perfekt bearbeiteter Desktop-Hintergrund. Aber sind wir mal ganz ehrlich: Wenn die oben genannte Temperaturgrenze länger deutlich überschritten ist, und die Nachbarschaft aufgrund verdorrter Rasenflächen aussieht, als läge sie in Texas, dann suchen wir alle doch nur noch eins – Abkühlung! Diese imaginäre Zauberwelt müsste ziemlich genau 9 Grad Celsius und eine angenehme Luftfeuchtigkeit haben, damit ich mich wieder wohl fühle, und ein paar funkelnde Glitzertürmchen wären nicht schlecht; das Auge will ja schließlich auch erfreut werden. Nein, meine Fantasien gehen nicht aufgrund von erfolgtem Sonnenstich völlig mit mir durch:

 

Sauerland Hitze

 

Durch Zufall entdeckt…

 

Wir schreiben den 19. Juli… Allerdings nicht 2018, sondern 1907. Die Steinbrucharbeiter der Biggetaler Kalkwerke wischen sich bei den Sprengarbeiten den Staub aus den Augen, den die von ihnen verursachte Explosion aufgewirbelt hat. Vor ihnen tut sich nach Abtragung der Oberfläche nun ein Felsspalt auf. Gespannt kriechen sie hinein. Doch damit haben sie nicht gerechnet: Ein Labyrinth aus faszinierenden Tropfsteingebilden verzaubert sie mit atemberaubender Schönheit. Wie konnte das nur hierher gelangen, einfach so, unter die Sauerländer Erde? Jedenfalls ist klar, so etwas darf nicht weiter verborgen bleiben. Das muss die Welt sehen…

 

 

Und das hat sie getan. In den letzten 111 Jahren kamen rund 40 Millionen Besucher nach Attendorn, um die Faszination der Tropfsteinhöhle zu erleben. Benannt sind übrigens beide – Stadt wie Höhle – nach der Fürstin Atta, die sich der Legende nach bei einem Jagdausflug verirrte und ihrem Retter, einem Köhler, das entsprechende Gebiet schenkte, woraufhin dieser dort eine Siedlung mit ihrem Namen gründete. Atta hatte ihm außerdem einen Schatz auf dem Gelände versprochen, und seit 1907 wissen wir nun endlich, wo der ist.

 

Atta Höhle 7

 

Unser „Schatz“ ist mit ca. 6.670 Metern Länge heute die größte Tropfsteinhöhle Deutschlands, außerdem die meistbesuchte – jährlich mehrere hunderttausend Besucher kommen sonst nur in die Teufelshöhle bei Pottenstein in Bayern – und aufgrund ihrer Farb- und Formvielfalt wohl auch die schönste.

 

Atta Höhle Attendorn 1

 

Ein Großteil der Höhle, nämlich ein ca. 5.000 Meter langes Labyrinth aus den bizarrsten Tropfsteingebilden entdeckten Forscher 1986. Weil eine Erschließung dieses Teils zu gefährlich wäre, sind für die Öffentlichkeit „nur“ etwa 1.800 Meter der Höhle zugänglich. Eine Führung dauert eine Dreiviertelstunde; in die Höhle gelangst du über den 80 Meter langen Zugangsstollen.

Bevor du in die glitzernde Zauberwelt eintauchst, in der weder Tages- noch Jahreszeit, weder Wetter noch irgendwelche anderen äußeren Einflüsse wahrnehmbar sind, lohnt sich eine Stärkung im Höhlenrestaurant / Café „Himmelreich“. Auch dies besitzt durch gewölbeartig geformte Decken einen Höhlencharakter, der perfekt auf das anstehende Erlebnis einstimmt…

 

Atta Höhle Restaurant Cafe

 

Nicht mal ein Zentimeter pro Menschenleben…

 

Zurück zur Frage der Steinbrucharbeiter: Wie konnte dieses schillernde Paradies unter die schnöde Sauerländer Erde gelangen? Schließlich sieht hier alles so aus, als wäre es von einem äußerst begabten Künstler in mühevollster Kleinarbeit hergestellt worden – wenn so etwas Filigranes und gleichzeitig Gleichmäßiges überhaupt von Menschenhand zu machen ist…

 

Atta Höhle 5

 

Das Geheimnis ist kohlensäurehaltiges Wasser, das Calcit ablagert. Das entstehende Material wird „Sinter“ genannt. Aufgrund der Oberflächengestalt treten dann nachfließende Tropfen an immer exakt der gleichen Stelle aus. Es wird eine Ablagerung in Form eines Ringes mit der Tropfengröße als Durchmesser gebildet. So entsteht dann ein „Sinterröhrchen“, bei dem durch außen ablaufende Tropfen das „Dickenwachstum“ einsetzt und irgendwann ein „Stalaktit“ entsteht. Das sind die von der Höhendecke hängenden Tropfsteine. Die vom Boden emporwachsenden heißen „Stalagmiten“, zusammengewachsene Stalaktiten und Stalagmiten nennt man „Stalagnat“.

 

Atta Höhle Attendorn 4

 

In zehn Jahren wachsen diese „Kunstwerke“ um einen Millimeter, in einem ganzen Menschenleben schaffen sie nicht mal einen Zentimeter. So kannst du dir anhand der Größe einiger Exponate recht gut ausrechnen, dass die Entstehung der Höhle vor 400 Millionen Jahren begonnen haben muss, als das Sauerland noch eine Meeresbucht war. Höchstdramatisch war wahrscheinlich auch, als bei einem Erdbeben vor vielen Tausend Jahren einige Tropfsteine abgebrochen wurden – nur damals hat´s noch keiner mitbekommen. Das wäre heute etwas anders, daher: nur gucken, nicht anfassen 😉

 

Atta Höhle Attendorn 6

 

Neben den Besuchern, die die komplett reine Luft genießen (in der Gesundheitsgrotte der Höhle wird übrigens auch Speläotherapie zur spürbaren Linderung von Atemwegserkrankungen angeboten), fühlt sich noch jemand anderes in diesem Klima besonders wohl: der Atta-Käse.

 

attahöhle käserei atta käse

 

Bei konstanten 95% Luftfeuchtigkeit reift der drei Monate lang in den Höhlengängen und genießt außer seiner wöchentlichen Salz-Wäsche die absolute Ruhe. Diese künstlich nicht herzustellenden Bedingungen verleihen ihm einen würzig-delikaten Geschmack, der auch direkt an der Atta-Höhle genossen werden kann…

 

Atta Höhle Restaurant Himmelreich

 

Und die Moral von der Geschicht´: Zauberhaftes Sauerland – auch ohne Tageslicht!!!

 

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Das Fotografieren in der Höhle ist nicht erlaubt; daher wurden alle Fotos mit freundlicher Unterstützung vom Betreiber der Atta-Höhle zur Verfügung gestellt.

Attendorner Tropfsteinhöhle, Finnentroper Straße 39, 57439 Attendorn

http://www.atta-hoehle.de

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