
ODER: WIE LEBT EIGENTLICH EIN MÖNCH?
„Pax intrantibus, salus exeuntibus“ – „Friede den Hineingehenden, Wohlergehen den Hinausgehenden“ so wurden die Besucher beim „Tag der Offenen Klöster“ in der Abtei Königsmünster („Münster“ kommt von dem lateinischen Wort für Kloster, der „König“ ist Jesus Christus) in Meschede am vergangenen Samstag begrüßt. Diese Möglichkeit, einen Einblick in das alltägliche Leben der Ordensleute zu gewinnen, wurde deutschlandweit zum zweiten Mal veranstaltet. Insgesamt nahmen über 160 Klöster teil, darunter auch einige im Sauerland.
Die Abtei Königsmünster liegt mir besonders am Herzen, weil es fast wie „nach Hause kommen“ ist, wenn ich den „Klosterberg“ erreiche. Kurz vor dem Abi war ich hier für einige Tage in der „Oase“, fünf Jahre später habe ich am „Gymnasium der Benediktiner“ mein Referendariat gemacht, später hier nochmal als Vertretungslehrerin gearbeitet und die Abtei zwischendurch immer wieder besucht. Die Einblicke, die ich nun beim „Tag der Offenen Klöster“ hatte, waren mir aber zum Teil neu, weil Bereiche gezeigt wurden, die der Öffentlichkeit ansonsten nicht zugänglich sind.
Der „Klosterberg“ in Meschede
Die Ordensleute leben im Kloster in „Klausur“ – also in einem (ab)geschlossenen Bereich. Das mag Vielen den Eindruck von „Gefängnis“ oder „Leben hinter den dicken Mauern“ vermitteln, ist aber genau anders herum. Die Türen sind nicht geschlossen, wenn man hinausgehen will, sondern wenn man hinein möchte. Der Grund dafür dürfte jedem direkt einleuchten: Wer möchte schon dauerhaft Besuchergruppen in seinem Wohnzimmer, also in seinem privaten Rückzugsbereich, begrüßen? Die „Klausur“ dient also dazu, einen Ort der Ruhe für die Mönche zu schaffen. Und die schwere Holztür lässt sich ganz leicht und modern per Chip öffnen, sodass für die Bewohner des Klosters überhaupt gar kein Gefühl des „Verschlossen-Seins“ entsteht.
Der Bau des Klostergebäudes begann 1932, vier Jahre nachdem die ersten zehn Mönche in Meschede angekommen waren. Heute leben hier 49 Mönche, von denen jeder sein eigenes Zimmer, die sogenannte „Zelle“, hat. Im Erdgeschoss befinden sich überdies Verwaltungs- und Besprechungsräume. Von dort aus kommt man zu einem kleinen Innenhof zwischen Kirche und Konventsgebäude. Den Blick auf den herrlich gestalteten Innenhof kann man durch die zahlreichen Fenster genießen. Entlang der Gänge laden Seitenaltäre, die in der Abteikirche bewusst ausgelassen wurden, um den Blick auf das Wesentliche zu lenken, zum Verweilen, Nachdenken und Beten ein. Im großen Versammlungsraum, dem Kapitelsaal, finden alle Mönche Platz; ein wenig erinnert er mich mit den seitlichen Stuhlreihen an die „Sixtinische Kapelle“.
Im Herzen des Klostergebäudes liegt die Kapelle, die den Mönchen zum stillen Gebet vorbehalten ist. Man erreicht sie durch einen Gang, der absichtlich recht schmal gehalten ist, um die Aufmerksamkeit voll auf das „Hier und Jetzt“ zu fokussieren. In der Kapelle selbst steht das Allerheiligste in einer Monstranz, daneben nur ein paar weiße Blumen, ein Teppich und Gebetsbänke. Der Raum hat eine ganz besondere, eigene Atmosphäre, ganz hell und auf das Wesentliche reduziert… Hier wird Spiritualität förmlich greifbar!
Weil die Liturgie und die „Wiederherstellung“ des Körpers für die Mönche eine Einheit sind, liegt in einer Flucht und mit Blick zu den liturgischen Orten das „Refektorium“ – was für ein wunderbarer Name für einen Speisesaal, nicht wahr? Es gibt wohl keinen anderen Ort, wo noch so viel Latein gebraucht wird, als in den Klöstern – und im Vatikan natürlich… Die Tische sind, wie an anderen Versammlungsorten im Kloster auch, U-förmig angeordnet. Jeder hat seinen festen Platz, der Abt sitzt „vor Kopf“ in der Mitte. Die Decke des Raumes hat exakt den gleichen Farbton, den Leonardo da Vinci bei seinem „Abendmahl“ benutzte.
In der Mitte des „Us“ fällt ein Lesepult auf. Tatsächlich ist es so, dass während des Essens einer der Mönche vorliest (der bekommt dann später auch noch was zu essen). Es werden vom Bibliothekar ausgewählte Bücher gelesen – die Spannung ist jeweils groß, welches als nächstes kommt. Im Hintergrund ist außerdem das Geplätscher des Brunnens zu hören, was ebenfalls sehr zur wohltuenden Atmosphäre beiträgt.
Die Abteikirche, die tatsächlich dicke Backstein-Mauern hat, hat für mich schon immer eine Atmosphäre von Geborgenheit und Ruhe ausgestrahlt. Sie ist relativ dunkel und schlicht gehalten, aufgrund ihres recht jungen Alters von 54 Jahren und der benediktinischen Tradition ganz anders als z.B. barocke Kirchen mit verschnörkelter Kunst. Die Orgel, die auch am „Tag der Offenen Klöster“ immer wieder erklang, ist sozusagen noch funkelnagelneu: Sie wurde am 01. September 2016 (der Tag des Kirchweihfestes) durch den Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker eingeweiht.
Momentan hängt aufgrund der nachösterlichen Zeit über dem Altar noch das von Pater Abraham in der eigenen Schmiede entworfene und hergestellte „Christuskreuz“ – ein dreidimensionales „griechisches Kreuz“, bei dem alle Schenkel und Achsen die gleiche Länge haben.
Demnächst wird wieder das altbekannte „lateinische Kreuz“ (die senkrechte Achse ist länger als die waagerechte) hängen, das reich an Symbolik ist: Die verwendeten Steine – Rosenquarz und Bergkristall – erinnern an die Heilung der Wunden und die vier Flüsse im Paradies, die drei Gesichter zu Füßen Jesu verweisen auf die Vielschichtigkeit des Bösen. Jesus hängt nicht am Kreuz, sondern steht als der Auferstandene, als König, davor, geschmückt mit einer wertvollen Krone. Und ein klein wenig die Arme ausgebreitet wie beim Spiel „Wer kommt in meine Arme?“
Die „Oase“, das Jugendgästehaus der Abtei, gibt es seit 1981. Ebenso wie die Abteikirche wurde es von dem Kölner Architekten Hans Schilling entworfen und passt sich durch den terrassenförmigen Bau perfekt an die Hanglage an. Hier finden bis zu 60 Personen als Übernachtungsgäste Platz. Daneben werden die Gruppen-, Meditations- und Freizeit-Räume für verschiedene Formen der Jugendarbeit (Schulbesinnungstage, Firmvorbereitung, Oberstufenakademie u.v.m.) genutzt. Wie ich auf eigener Erfahrung weiß, wird man hier wunderbar versorgt und kann sich ganz auf den gewünschten Zweck seines Aufenthaltes konzentrieren.
Auch für Erwachsene gibt es ein Gästehaus, das „Haus der Stille“. Entworfen von dem Architekten Prof. Peter Kulka und eingeweiht im Jahr 2001 wirkt es modern, offen und lichtdurchflutet, mit wunderbarem Blick auf die Sauerländer Berge und die Stadt Meschede.
Der perfekte Ort also für Einkehr und Besinnung, Loslassen vom Alltag und der zunehmend komplexen Kommunikationsstruktur. Hier wird nämlich – ganz der Exerzitien-Tradition des Ordens und damit der Regel des Heiligen Benedikt von Nursia folgend – nicht gesprochen. Das Handy lässt man am besten gleich ganz zuhause…
In den abteieigenen Werkstätten und Betrieben (Schmiede, Tischlerei, Töpferei, Weberei, Bäckerei, Käserei, Fleischerei und Mosterei) werden die unterschiedlichsten Produkte hergestellt, die zur Selbstversorgung dienen und zum Verkauf im Abteiladen und anderen Verkaufsstellen angeboten werden.
Die Küche und Lebensmittelbetriebe sind 2015 in das neu gebaute und ebenfalls lichtdurchflutete „Abteiforum“ umgezogen, in dem sich auch die Abteigaststätte und die Schulmensa befinden. Am Gymnasium der Benediktiner unterrichten ca. 50 Lehrer/innen rund 700 Schüler/innen. Auch drei Ordensbrüder zählen zum Kollegium und unterrichten neben Religion auch noch andere Fächer, die sie studiert haben. Ohnehin verfügen die Mönche über die verschiedensten Ausbildungen und Werdegänge, mit denen sie den Gesamtbetrieb der Abtei Königsmünster zusammen mit den 110 Mitarbeitenden bewältigen.
Alltag als Mönch
Der Alltag ist geprägt von einer festen Struktur. Jeder Tag – auch das Wochenende – beginnt um 6.30 Uhr mit dem ersten Gebet in der Abteikirche, der „Morgenhore“. Nach dem gemeinsamen Frühstück im schönen „Refektorium“ gehen dann von montags bis freitags alle ihren unterschiedlichen Berufen und Aufgaben nach: die einen in den klostereigenen Einrichtungen, Lebensmittel-Betrieben und Werkstätten, die anderen als Lehrer im angeschlossenen Gymnasium oder als Seelsorger außerhalb der Abtei. Wer es in den Arbeitstag integrieren kann, ist um 12.15 Uhr zur „Mittagshore“ zurück in der Abteikirche, sonst um 17.45 Uhr zur Messe und zur „Vesper“ oder um 19.40 Uhr zum „Komplet“. Daneben finden Gottesdienste zu unterschiedlichen Zeitpunkten statt. Um den Überblick über die anwesenden Brüder, aber auch über die zu singenden Lieder zu haben (das ist wohl gar nicht so leicht!), gibt es das „Liturgische Brett“, das im „Statio-Gang“ auf dem Weg zur Abteikirche hängt.
Zu den Gebetszeiten, den Mahlzeiten und gemeinsamen Veranstaltungen tragen die Mönche ihren „Habit“. Diese für die Benediktiner-Mönche übliche Kleidung sieht auf den ersten Blick bei allen gleich aus: ein schwarzes Gewand mit Kapuze. Schaut man aber genauer hin, kann man an den Unterschieden ablesen, ob der Mönch gerade erst ins Kloster eingetreten ist oder die „ewige Profess“ schon abgelegt hat. Der „Postulant“ trägt nur die Tunika mit einem Gürtel, der Novize dann mit einem noch kurzen Überwurf. Mit der Zeit wächst dieser Überwurf quasi „nach unten“. Hat der Mönch die ewige Profess abgelegt, trägt er beim Stundengebet und besonderen Anlässen zusätzlich die „Kukulle“, ein faltenreiches, bodenlanges Übergewand mit weiten Ärmeln.
Das Gehalt, das in den verschiedenen Berufen erarbeitet wird, geht in die Klosterkasse, von der dann sämtliche Ausgaben für alle Mönche getätigt werden. Dabei war schon der Hl. Benedikt vor 1500 Jahren sehr klug, als er schrieb, dass jedem das gegeben werden soll, „was er zum Leben braucht.“ Dazu gehört neben den üblichen Lebenshaltungskosten auch der „Fuhrpark“, der den Mönchen zur Verfügung steht. Die Fahrzeuge von Ordensleute haben übrigens meist die Buchstabenkombination „XP“ oder „PX“, die griechischen Buchstaben für Jesus Christus. Die Mönche haben also kaum individuellen Besitz, müssen sich aber dafür auch keine Gedanken um anstehende Ausgaben machen, weil sie die Gewissheit haben, dass für sie gesorgt wird. Durch den Grundgedanken der Gemeinschaftlichkeit und die Aufgabenteilung ist die Abtei Königsmünster in der Lage, eine sich selbst finanzierende Lebensgemeinschaft zu sein.
Falls noch immer nicht klar wurde, dass die Abtei im 21. Jahrhundert angekommen ist: Hier gibt’s WLAN und eine eigene Facebook-Seite. Die Mönche nutzen Smartphones und Whatsapp… Natürlich unterscheidet sich ihr Alltag in gewisser Weise von unserem, aber so gewaltig sind diese Unterschiede nun auch wieder nicht!
Sie sind offen, also sei du es auch: Komm mal vorbei und mach dir deinen eigenen Eindruck; Anlässe dafür gibt’s genug!
Abtei Königsmünster, Klosterberg 11, 59872 Meschede