
ODER: „Glas-Fusing“ – Von der Scherbe zum Kunstwerk…
Hand aufs Herz: Hast du schon mal von „Glas-Fusing“ gehört? Ich geb dir noch den Zusammenhang: Kunst. Der Groschen ist immer noch nicht gefallen? Dann geht´s dir so wie mir…
Klar, Glas kenne ich durchaus als Gestaltungsmaterial für Kunstwerke. Auf einer Klassenfahrt habe ich mal eine Glasbläserei besichtigt und „Murano-Glas“ ist mir ebenfalls ein Begriff. Diese Gestaltungsprozesse haben aber wenig mit dem zu tun, was im Glas-Fusing-Atelier von Ulrike Heinemann in Marsberg-Westheim passiert. Ich bin mir sicher, wenn du weißt, was es ist, willst du es garantiert selbst ausprobieren!
„Glas-Fusing“ – Was ist das eigentlich?
Das englische Verb „to fuse“ bedeutet „schmelzen“. Damit kommen wir der Sache schon näher. Aber etwas irreführend ist das auch, denn das Glas wird nicht komplett eingeschmolzen, bis es flüssig ist. Es geht vielmehr um ein „Verschmelzen“ verschiedener Glasschichten.
Zunächst dachte ich, dass diese Kunsttechnik auch mit ganz normalem „Flaschenglas“ funktioniert. Glas ist schließlich Glas. Das ist aber leider nicht der Fall; zumindest, wenn man verschiedenfarbiges miteinander verschmelzen will. Handelsübliches Glas hat je nach Farbe geringe Beimischungen verschiedener Metalle: So verfügt grünes Glas über etwas Eisen, rotes über einen minimalen Anteil Gold. Da die Metalle unterschiedlich auf bestimmte Temperaturen und auf sich gegenseitig reagieren, würden beim Versuch, Flaschenglas zu „fusen“, Spannungen entstehen, die das Experiment zum Scheitern brächten.
Daher arbeiten „Fuser“ mit Spezialglas, z.B. der Marke „Bullseye“. Dies gibt es in transparent und opak – also lichtundurchlässig. Wenn man nun transparentes auf opakes Glas legt und miteinander verschmilzt, entsteht ein unvergleichlicher Tiefeneffekt. Daneben bietet auch die breite Farbpalette zahlreiche Variationsmöglichkeiten. Da das Spezialglas aus Amerika kommt und jede einzelne Scheibe auf Farbe und Material geprüft wird, ist es allerdings nicht ganz günstig. Allzu verständlich, dass hier jede kleine Scherbe gesammelt und beispielsweise zum „Ausmalen“ genutzt wird.
Beim „Glas-Fusing“ geht es also darum, Ausschnitte oder Scherben von Spezialglasscheiben kunstvoll miteinander zu verschmelzen. So weit die Grundlage.
„uh-design“: Der Name ist hier Programm…
Die Leidenschaft für das „Glas-Fusing“ ist bei Ulrike Heinemann nicht ganz zufällig entstanden. Sie ist auf der Glasfachschule in Zwiesel im Bayrischen Wald zur staatlich geprüften Glasbildnerin ausgebildet worden. Handwerklich ist hier also eine Fachfrau am Werke.
Doch damit nicht genug: Sie ist außerdem Diplom-Industriedesignerin und hat sich im Grundstudium als eine der wenigen Frauen auch an Maschinenbau herangetraut. Letzteres kann sie beim „Fusen“ nicht wirklich gebrauchen, ihre Grafikkenntnisse sehr wohl. Man merkt nämlich besonders ihren handgezeichneten Entwürfen die Professionalität an.
Mit diesen handgezeichneten Entwürfen beginnt die Herstellung der Glaspostkarten. Diese eignen sich besonders gut als individuelles Geschenk, da sie zu jedem Thema erstellt werden können und mit einzigartigen Bildern bestückt werden. Zur Geburt beispielweise kann man den Namen des Kindes mit Geburtsdatum, Gewicht, Größe und zahlreichen Schnullern, Rasseln und sonstigen Baby-Utensilien darstellen lassen.
Jedes einzelne Bildchen wird dazu auf eine Glasscherbe, die passgenau mit einem Diamanträdchen aus der Scheibe geschnitten wurde, übertragen. Für die Umrisse oder Schrift nutzt Ulrike Heinemann Glasmalfarbe, die mithilfe einer sehr feinen Maldüse oder ganz klassisch mit einer Kalligraphiefeder aufzeichnet wird. Für die farbigen Flächen trägt sie mit der Pinzette gekörntes Glas auf, „Krösel“ für „Krösel“. Diese gibt’s in unterschiedlichem Feinheitsgrad und verschiedenen Farben. Für die ganz kleine Punkte, gibt es „Glas-Spaghetti“, die ein so feines Arbeiten ermöglichen.
Wenn nach einer unendlichen Geduldsprobe (bitte nicht niesen!) alles perfekt auf der Postkarte liegt, muss diese in den Ofen. Und auch hier sind wieder Fachkenntnisse gefragt: Um dafür zu sorgen, dass alle Glaselemente sozusagen miteinander „verklebt“ werden (man nennt das „tacken“), muss der Ofen auf 680 Grad aufgewärmt werden und dann über vierundzwanzig Stunden langsam auskühlen, damit nicht die oben erwähnten Spannungen entstehen und das ganze Werk zunichte machen. In der Fachsprache heißt das: Man hält die „Abkühlkurve“ ein. Das ist übrigens der Spezial-Ofen mit Wärmespirale, die für gleichmäßige Wärme sorgt, und „Kontroll-Guck-Loch“, falls Ulrike Heinemann (oder ihre Kinder) die Neugier nicht mehr aushalten kann 😉
Die genaue Temperatur des Ofens hat aber einen noch größeren Einfluss auf das entstehende Kunstwerk, als man denkt: Legt man Ohrringe bei 680 Grad zu den Postkarten, bleiben sie viereckig, legt man sie bei 730 Grad – die eigentliche „Fusing-Temperatur“ – zu den Schalen, werden sie rund. Die Glaskennerin kann sich also die Eigenschaften „ihres“ Materials perfekt zunutze machen.
Glas ist vielseitig!
Es gibt zwei Faktoren, die die Vielfalt der Glasarbeiten von Ulrike Heinemann beeinflussen: Zum einen den eben erwähnten flexiblen Einsatz des Materials. Es lässt zu, im zweidimensionalen Bereich als Bild, Postkarte oder Kommunions-/Konfirmations-Kreuz oder im dreidimensionalen Bereich als Schale oder Schmuck geformt zu werden.
Zum anderen ist es aber auch die persönliche Kreativität von Ulrike Heinemann: Das Spiel von Farben und Linien, die immer wieder neuen Ideen und Experimente, die fachkundigen und individuell gestalteten Entwürfe…
Ich bin gespannt, was da noch so kommt! Wem es ähnlich geht, der kann aktuelle Werke auf der Instagram-Seite der Künstlerin (@uhglasdesign) bewundern. Und da ich ja eingangs sicher war, dass du es jetzt selbst ausprobieren möchtest: Ulrike Heinemann gibt dir bei einem Workshop die Gelegenheit dazu, dein eigenes bleibendes Unikat zu schaffen!
„uh-design“
Ulrike Heinemann, Akazienweg 16, 34431 Marsberg-Westheim
uh-design@gmx.de