AHOI! AN BORD DER MS „WESTFALEN“

ODER: DER BIGGESEE – VOM ROHWASSERSPEICHER ZUM TOURISTENMAGNETEN…

 

Wasser – das Element, um das sich derzeit alles dreht… Ob flüssig oder gefroren, ob im Gartenschlauch, Swimmingpool oder am Stiel – ein jeder sehnt sich nach dem kühlen Nass. Und nicht nur wir Menschen, sondern auch die Felder und Wälder haben einen kräftigen Guss dringend nötig, um Tieren und Pflanzen wieder einen gesunden Lebensraum zu bieten. An keinem anderen Ort im Sauerland gibt es so viel von dem wertvollen Gut wie im Biggesee: Mit rund 150 Millionen Kubikmetern Fassungsvermögen ist er schließlich die fünftgrößte Talsperre Deutschlands und die größte Westfalens. Sinn und Zweck ist, klar, die Wasserversorgung im Ruhrgebiet sicherzustellen, aber daneben bietet er zahlreiche andere Gelegenheiten, seine erfrischende Wirkung zu genießen.

 

Biggesee Weite

 

Dörfer verschwinden im Wasser…

 

Die knapp neun Quadratkilometer sauerländische Erdoberfläche, die heute den Grund des Biggesees bilden, waren vor Baubeginn der Talsperre 1956 von über 2.500 Menschen bewohnt. Allerdings eignete sich das enge Biggetal besonders gut für den Bau einer Talsperre, und der Wasserbedarf im Ruhrgebiet war damals aufgrund der Bergbau-Industrie deutlich höher als heute. Also mussten alle Anwohner umgesiedelt werden. Ihre Dörfer – insgesamt dreizehn – wurden abgerissen und geflutet. Listernohl, das heute mitten im See liegt, wurde als Neu-Listernohl wiederaufgebaut, dazu kamen die neu errichteten Ortschaften Sondern-Hanemicke und Eichhagen. Für einige der betroffenen Umsiedler war es sogar der zweite „erzwungene“ Umzug, weil sie schon vierzig Jahre zuvor der direkt an den Biggesee angrenzenden Listertalsperre weichen mussten. Die Grundmauern, Fundamente und Brücken ihrer Dörfer stehen heute noch am Seegrund und sind bei Niedrigwasser zu erkennen – ansonsten nur bei Tauchgängen. Bei aller Sinnhaftigkeit dieser Baumaßnahme – ein bisschen „spooky“ ist das schon, oder?

Schnell merkten aber auch die Sauerländer, dass die eigentlich zur Speicherung von Rohwasser genutzte Fläche eine ganz eigene Schönheit bot. Funkelndes Wasser inmitten der dunkelgrünen Wälder, das übte einen Reiz aus, der sich schnell herumsprach und die Biggetalsperre zum Touristenmagneten machte. Dass sogar auch internationale Besucher an den Biggesee kommen, belegt hier – wie auch in Winterberg – die Zweisprachigkeit der Hinweistafeln…

 

 

 

Nach und nach wurden kilometerlange Rad- und Wanderwege eingerichtet; Campingplätze, Gastronomie und zahlreiche unterschiedliche Wassersportangebote siedelten sich entlang des Ufers an.

 

 

 

Und fast ebenso lange, wie es den Stausee gibt, fährt auch schon die weiße Biggesee-Flotte auf ihm, nämlich seit 1967.

 

Biggesee weiße Flotte

 

Personenschifffahrt Biggesee

 

Das Galerieschiff MS „Westfalen“, mit dem ich geschippert bin, verkehrt seit 1978 zwischen den Städten Olpe und Attendorn. Wenn du dich jetzt schon auf den „Seventies-Retro-Charme“ freust, muss ich dich allerdings enttäuschen. 1991 und 2004 wurde das Flagschiff der „Personenschifffahrt Biggesee“ völlig umgebaut und renoviert, 2011 wurde sogar das Heck ab- und ein neues angebaut und schließlich 2016 das I. Deck umgestaltet, sodass du heute eine zeitgemäße und exklusive Ausstattung vorfindest.

 

 

 

Gebaut wurde das Schiff allerdings nicht im Sauerland, sondern in der „Lux Werft“ in Niederkassel am Rhein. Bis heute betreibt die Werft die Personenschifffahrt auf dem Biggesee, und auch auf den anderen sauerländischen Stauseen (Sorpe-, Henne- und Möhnesee) kannst du auf ihren Schiffen fahren. Alle drei Jahren wird die „Westfalen“ für den „TÜV“ aus dem Wasser gezogen; schließlich muss sie ja besonders unter der Wasseroberfläche absolut dicht sein…

 

 

 

Technisch wieder auf dem neuesten Stand ist die „Westfalen“ dann täglich von 10:00 Uhr bis 17:30 Uhr im Linienverkehr unterwegs – von Ostern bis Oktober. Eine komplette Rundfahrt dauert knapp zwei Stunden; du kannst das Schiff aber auch an einem für dich besonders interessanten Ort verlassen und deine Fahrt später fortsetzen. Der Ein- und Ausstieg ist an jeder der vorgesehen Anlegestellen möglich, zu diesen (und aufs Schiff) gelangst du barrierefrei. Aufgrund von Bauarbeiten wird in diesem Jahr der Zustieg im Bereich Sondern an der „Talbrücke“ empfohlen; hier stehen auch ausreichend Parkplätze zur Verfügung.

 

 

 

Wenn du dann endlich an Bord bist, kannst du während deiner Schifffahrt entweder im Bordrestaurant sitzen und beispielsweise ein Stück Torte genießen oder dir auf einem der beiden Decks den Wind um die Nase wehen lassen und dabei genüsslich ein Eis schlecken. Ich würde dir dringend die Außenvariante empfehlen, die auch bei 30 Grad noch recht angenehm ist, denn so nimmst du die zauberhafte Landschaft ungetrübt wahr und erlebst den Charme des Biggesees mit allen Sinnen.

 

 

 

Du wirst vom Käpt´n bestens über alles Sehenswerte informiert, und kommst z.B. an „Attania“, der guten Nixe, vorbei. Sie hat sich so gut in die Landschaft eingefügt, dass du genau hinschauen musst!

 

Biggesee Nixe

 

Du siehst die futuristische Aussichts-Plattform „Skywalk Biggeblick“ und den gewaltigen Staudamm, auf dessen Mitte das Restaurant „Leuchtturm am See“ thront.

 

Biggesee Staumauer

 

Allerdings hat die MS „Westfalen“ den See nicht für sich allein, denn auch zahlreiche Sportler genießen das im Kontrast zur sauerländischen Gebirgskulisse funkelnde Wasser.

 

Biggesee Funkeln

 

Das Ganze kannst du völlig entspannt genießen, auch wenn du ansonsten schnell seekrank wirst, denn die MS „Westfalen“ gleitet so sanft über die Bigge, dass du kaum ein Schaukeln bemerkst…

 

MS Westfalen Biggesee

 

Neben dem „normalen“ Linienverkehr bietet die Biggesee-Flotte aber auch noch ganz andere Möglichkeiten: Angebote wie Piratenfeste und Seniorentage bieten für jede Altersklasse das passende Rahmenprogramm. Besonders abends, wenn sich der Mond im Biggesee spiegelt, wird die MS „Westfalen“ zum wahren Event-Schiff: Die „Weinkreuzfahrt“, das „Krimi-Dinner“, die „Musical-Dinner-Show“ und die „Ü-30-Party“ bereiten unvergessliche Momente auf dem Wasser. Bis zu fünfhundert Gäste können hier feiern und schlemmen. Und wenn sogar der schönste Tag im Leben auf „hoher See“ stattfinden soll, bietet das „Rosenzimmer“ auf Deck II als Dienstzimmer des Standesamtes die Möglichkeit dazu.

 

 

 

Die anhaltende Dürre bereitet der „Personenschifffahrt Biggesee“ keine Probleme. Derzeit liegt sie „nur“ fünf Meter unter „Normalstand“ – im Jahrhundertsommer 2003 waren es über fünfzehn Meter, und auch da konnten die Schiffe noch problemlos fahren. Doch komplett spurlos geht die Hitze dann auch nicht an der Bigge vorbei: Das für den kommenden Samstag geplante „Seenachtfest“ wurde auf den 29.09. verschoben, da das traditionelle Feuerwerk bei anhaltender Trockenheit nicht abgefeuert werden kann. Dafür lohnt sich der Besuch am September-Termin umso mehr: dann findet auch die offizielle Eröffnung der Seepromenade statt.

 

Biggesee Landschaft

 

Ganz ehrlich, ich wäre auch nicht begeistert gewesen, wenn mein Heimat-Dorf einfach so unter Wasser gesetzt worden wäre… Sicherlich war es damals für die 2.500 Umsiedler nicht leicht, die Straße vor ihrem Haus ein letzte Mal entlang zu gehen. Dadurch, dass sie dieses Opfer aber gebracht haben, können seit Jahrzehnten Rohwasser-Vorräte für die fünf Millionen Einwohner und die Industrie des Ruhrgebietes bereitgehalten werden. Und viele, viele weitere Menschen hatten und haben die Chance, einen der schönsten Stauseen Deutschlands für die eigene Erholung zu nutzen.

 

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Personenschifffahrt Biggesee, Am Hafen 1, 57462 Olpe (Büroanschrift)

Anlegestellen und -zeiten unter: https://biggesee.de/wir

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