„WINNETOU“ JEAN-MARC BIRKHOLZ HINTER DEN KULISSEN

ODER: KARL MAYS BOTSCHAFT VON FRIEDEN UND VERSÖHNUNG

Die Sommerferien stehen vor der Tür… Das wird an einer Tatsache besonders deutlich: Winnetou ist zurück im Sauerland! Vielleicht erinnerst du dich – mit fast genau diesen Worten startete das erste Interview, das ich im Sommer 2018 mit Jean-Marc Birkholz geführt habe. Nun, fast vier Jahre später, ist eine Menge passiert, doch Jean-Marc ist sich selbst treu geblieben, als großer Sauerland-Fan, doch vor allem als Verfechter von Frieden und Versöhnung:

Wir haben eine gute Zeit zusammen

Jean-Marc, in diesem Jahr spielst du zum zehnten Mal den Winnetou. Ist es inzwischen Routine für dich? Oder bist du noch aufgeregt, wenn es für dich auf die große Naturbühne geht?

Es ist etwas Besonderes für mich und das wird es auch immer bleiben! Ich freue mich jedes Mal auf die Saison. Auch wenn Vieles vertraut ist und man manche Dinge so oder so ähnlich bereits gespielt hat, ist doch immer alles anders und ein neues Stück immer wie ein Baby, das das Licht der Welt erblickt. Dieser Schaffensprozess ist schön und wirklich intensiv!

Winnetou ist ja nicht deine einzige Rolle; du wirkst auch in vielen russischsprachigen Film- und Fernsehproduktionen mit. An welchen Projekten hast du seit der letzten Festival-Saison gearbeitet?

Da muss ich kurz überlegen, das war Einiges… Ich habe zwei Streaming-Serien gedreht: „Contamin“, da geht es um einen Virus, und „Suicide“, eine Geschichte, in der eine Gruppe von Frauen in einer geschlossenen Einrichtung von ihren Schicksalen berichtet. In all diese Schicksale sind Männer als Aggressoren verstrickt. Einen dieser Typen habe ich gespielt. Manchmal spürt man schon beim Drehen, dass etwas Besonderes entsteht. Hier kann man wirklich gespannt sein. So ging es mir auch beim Drehen von „The Folks“, einem Mystery-Thriller, in dem ich einen Familienvater spiele, der das Opfer eines teuflischen Plans wird. Außerdem habe ich im Kinofilm „Rückkehr“, wie er auf Deutsch heißen wird, gespielt; ein Anti-Kriegsfilm, in dem es um die Trennung von Zwillingen im Zweiten Weltkrieg geht, die sich nach Jahrzehnten wiederfinden. In „Black Dog“, einem Mehrteiler, spiele ich einen abtrünnigen US-Officer, der in kriminelle Waffengeschäfte verwickelt ist. Gerade kam auch der Mehrteiler „Chernobyl“ in den Stream, den ich allerdings schon 2018 gedreht habe. Darin spiele ich einen CIA-Agenten. Ich bin froh, dass ich nicht auf einen bestimmten Rollentyp festgelegt bin! Mit dem Goethe-Institut und einem Minsker Künstlerkollektiv habe ich die Lesung „Reineke Fuchs“ von Goethe entwickelt, die ich mit meiner Frau Valya auf Belarussisch und Deutsch zur Uraufführung in Minsk bringen wollte.

Als wir uns vor knapp vier Jahren zum ersten Mal zum Interview getroffen haben, warst du gerade dabei, zu Valya nach Minsk zu ziehen. Jetzt herrscht Krieg in der Ukraine, russische Truppen marschieren ein, Belarus wurde als Aufmarschgebiet genutzt. Wie hat der 24. Februar 2022 dein bzw. euer Leben verändert?

Es war ein Schock. Ich saß vor dem Fernseher und konnte es nicht glauben, obwohl die Vorzeichen der letzten Jahre eine eindeutige Richtung einschlugen… Aber dass so etwas wirklich passiert, noch dazu in unserer eigentlich aufgeklärten Zeit, das ist so unfassbar! Schon vor Beginn des Krieges, gab es für meine Frau und ihre Familie Arbeitsverbote in Belarus; darum spielten wir mit dem Gedanken, nach Kiew zu ziehen. Dort fanden sie und auch ich künstlerisch neue Betätigungsfelder in Film und Theater. Was ist der Mensch ohne Arbeit? Es ist wie ein Schlag ins Gesicht, wenn einem über Nacht die Arbeits- und Lebensgrundlage in der Heimat genommen wird. Einer Familie, die über Generationen das künstlerische Bild des Landes mitgeprägt hat. Momentan leben sie in Polen und schauen, wie es weitergeht. Schon bevor Polen die Ukrainerinnen und Ukrainer mit offenen Armen empfing, bot es für viele Belarussen eine zweite Heimat, wie die Ukraine auch… Für das, was der Ukraine angetan wird, finde ich kaum Worte. Ich dachte, ich bin leergeweint und weine doch jeden Tag. Das Morden, Plündern und Aneignen ist mit nichts zu rechtfertigen – mit nichts! Ich verachte das aus tiefstem Herzen.

Trotz all der Betroffenheit und Traurigkeit, die gerade deutlich zu spüren ist, wirkst du positiv und zuversichtlich. Wie gelingt es dir, den Mut nicht zu verlieren und stark zu bleiben?

Es hilft ja nichts, in Duldungsstarre zu fallen! Trauer, Wut und Zorn können auch das Öl im Getriebe sein, das emotionale Kräfte freisetzt, die sonst eher zurückgehalten werden… Zu sehen, dass die Ukraine nicht allein ist, dass sie weltweit so viel Unterstützung erfährt, das macht mir Mut!

Karl May hat sich immer wieder für den Frieden eingesetzt – und zwar in einer Zeit, in der Krieg noch als „normales“ Mittel der Politik gesehen wurde. Wenn du dich heute mit Karl May beschäftigst, welche Botschaft liest du in seinen Texten?

Die absolute Friedensbotschaft: Sehnsucht nach Frieden und Versöhnung, Liebe und Vergebung. Als eine meiner letzten Arbeiten in Minsk, Anfang des Jahres, habe ich die zwei Karl-May-Bände „Ardistan und Dschinnistan“ als Hörbücher für den Karl-May-Verlag eingelesen; es geht darum, dass die Welt aus den dunkelsten Tiefen nur durch Liebe und Frieden herausgeführt und weiter existieren kann, und dass Kriege die ewige Dunkelheit und niemals das Licht bedeuten. Wird die Menschheit endlich vom immerwährenden Kriegsgedanken erlöst, wird Friede auf Erden herrschen. So simpel und doch so schwer scheinen Karl Mays Gedanken und Worte zu sein… Diese Bücher zeitgleich mit dem Kriegsausbruch einzulesen, gab den Aufnahmen eine ungeahnte Dringlichkeit.

In drei Wochen ist Premiere vom „Schatz im Silbersee“. Sind die Proben schon gestartet?

Die eigentlichen Proben beginnen erst Anfang der kommenden Woche, aber das heißt nicht, dass ich mich noch nicht vorbereite. Ich arbeite gerade an meinem Kostüm; da gibt es viele kleine Details, die ich gerne selber mache: Messerscheide, Gürtel, Schuhe und Chaps gestalte und bemale ich neu. So wird es mehr zu etwas Eigenem und bleibt nicht nur eine bunte Hülle. Für solche Dinge bleibt, wenn die eigentlichen Proben laufen, kaum noch Zeit. Und natürlich bin ich auch schon ein paar Mal ausgeritten, um wieder in den Flow zu kommen…

Und wie war es, das erste Mal wieder auf dem Pferd zu sitzen? Hat dich dein Kuba, also „Iltschi“, direkt wieder erkannt?

Ich muss zugeben, ich habe immer etwas Lampenfieber vor dem ersten Ritt, besonders wenn ich so lange nicht auf dem Pferd saß. Aber dann ist es wie Schwimmen oder Fahrradfahren, man verlernt es einfach nie… Kuba – so zumindest mein Gefühl – hat mich noch besser angenommen als im letzten Jahr; ich glaube, dass die Bindung nicht einseitig ist…

Auch dieses Jahr triffst du auf der Bühne wieder viele alte Bekannte. Auf wen dürfen sich die Zuschauer noch freuen?

Da sind wieder die üblichen Verdächtigen dabei! Um mal nur ein paar zu nennen: Mein Gegenspieler wird Marco Kühne als „Großer Wolf“; da kann man auch schon aufs Kostüm gespannt sein, das wird auf jeden Fall ein Hingucker! Auch mein alter Freund Sebastian Kolb wird wieder als Oberschurke dabei sein, als „Der rote Cornel“ Mr. Brinkley. Und mein Blutsbruder selbstverständlich; Old Shatterhand, der wieder von Martin Krah gespielt wird, und der neben Sebastian bei den Ausritten auch immer dabei war. Wohnlich sind wir auf dem Gelände alle nah beieinander untergebracht – da wir uns bestens verstehen, haben wir immer eine gute Zeit zusammen!

Neben den ganzen Proben und den vielen Aufführungen ab dem 18.06.: Welche Pläne hast du für deine Zeit im Sauerland?

Das Schönste ist, einfach hier zu sein… In den letzten Jahren habe ich mir immer sehr viel angeschaut, bin rumgefahren und habe verschiedene Orte im Sauerland besucht. In diesem Jahr bin ich ohne Auto hier, und irgendwie auch dankbar dafür; es ist so schön da, wo ich gerade bin. Einfach zu Fuß unterwegs zu sein, das habe ich viel zu selten gemacht die letzten Jahre, das werde ich sehr genießen… Valya hat zeitgleich mit uns eine Theater-Premiere in Warschau und kommt anschließend nach Elspe. Sie freut sich in diesem Jahr besonders darauf, so etwas wie ein Zuhause zu haben und einfach irgendwo anzukommen.

Wieder einmal ein riesengroßes Dankeschön für deine Offenheit, lieber Jean-Marc, und von Herzen eine wunderschöne Zeit im Sauerland!

Und nun wieder zu dir: Egal, ob du Karl-May-Fan bist, einfach nur für ein paar Stunden in eine andere Welt abtauchen oder Jean-Marc mal live erleben möchtest – deine Tickets für „Der Schatz im Silbersee“ kannst du hier reservieren. Ich wünsche dir einen erlebnisreichen Tag beim „Elspe Festival“!

https://jeanmarcbirkholz.de/

https://www.instagram.com/jeanmarcbirkholz/

https://www.facebook.com/officialjeanmarc

Die Fotos von den Filmprojekten (Fotografen: Artem Hvodzkov, Valery Titov, Andrey Popkov, Roman Chaustov, Alexey Muradov) sowie das mit Martin Krah und das mit Valya (Fotograf: Roman Kalinovskiy) wurden mit freundlicher Unterstützung von Jean-Marc Birkholz zur Verfügung gestellt.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s