THE MAN FROM MILWAUKEE: DR. RAINER MEISTERJAHN AUF HEIMATBESUCH

ODER: SO ÜBERWINDEST AUCH DU DEINEN INNEREN SCHWEINEHUND!

 

Vielleicht hast du dich ja schon mal gefragt, warum es die Kategorie „Sportlich“ auf „Zauberhaftes Sauerland“ nicht gibt, trotz der vielfältigen Möglichkeiten, die die Region eigentlich zu bieten hätte!? Ist recht schnell erklärt: Sport ist einfach nicht mein Ding (ja, ziemlich egoistische Themenauswahl, aber einen Lebensbereich muss man ja auch mal nach seinen persönlichen Vorlieben gestalten dürfen!?)! Ich habe mir zwar Joggingschuhe gekauft und auch mal ein Fitnessstudio von innen angeschaut, aber der innere Schweinehund siegt so gut wie immer… Wahrscheinlich mangelt es mir einfach an der richtigen Geisteshaltung? Doch wie sieht die aus? Am besten kann das Dr. Rainer Meisterjahn aus Schmallenberg-Arpe beantworten, der in der NBA als Mental-Trainer der Profis arbeitet (nein, ich habe keine Profi-Ambitionen, aber man soll sich ja an den Fähigen orientieren):

 

Man muss sich aus das Wesentliche konzentrieren

 

Wir treffen uns hier gerade in Arpe, einem Dorf bei Schmallenberg, das selbst vielen Sauerländern nicht auf Anhieb etwas sagt. Du bist hier aufgewachsen, lebst aber heute in Milwaukee. Wie verlief dein Weg von Arpe in die große, weite Welt?

Ich bin damals in der elften Klasse zum ersten Mal rübergegangen in die Staaten und habe da ein Austauschjahr gemacht, im Bundesstaat Vermont. Für zwei Semester war ich dort, und es hat mir echt gut gefallen, von der Sprache, von der Kultur, und sportlich natürlich auch. Dann bin ich wieder nach Deutschland gekommen und habe hier mein Abi gemacht, habe mir aber trotzdem das Ziel gesetzt, wieder rüber zu gehen, zum Studieren. Nach Abi und Zivildienst habe ich dann ein Stipendium bekommen, an einer kleinen Uni im Bundesstaat Maine. Dort habe ich dann aktiv Basketball gespielt und Psychologie studiert und habe über den Weg erfahren, dass es „Sportpsychologie“ auch als Berufsfeld gibt. In die Richtung habe ich dann gearbeitet, so konnte ich Basketball und Psychologie miteinander verknüpfen. Nach meinem Bachelor-Studium bin ich dann nochmal für ein Jahr nach Deutschland gegangen; da habe ich bei Bad Honnef gewohnt, in der Regionalliga gespielt und ein paar Jugendmannschaften trainiert. Dann hat´s mich aber doch wieder in die USA gezogen und ich habe da meinen Master gemacht und meinen „Ph.D.“, also meinen Doktortitel, im Bereich „Sportwissenschaften“ noch drangehangen, mit der Spezialisierung „Sportpsychologie“. 2013 habe ich mich dann entschlossen, mein eigenes Ding zu machen, und mein Unternehmen „Courtex Performance“ gegründet. Damit habe ich mich auf den Sport „Basketball“ spezialisiert und arbeite mit Spielern, Trainern, Teams und Organisationen im Profibereich zusammen.

 

Dr. Rainer Meisterjahn Tobias Harris (2)

 

In der NBA bist du als „Mental Coach“ tätig. Was ist das Aufgabenfeld eines Mental-Trainers?

Ich unterstütze Spieler in Sachen wie Konzentrationsfähigkeit auf dem Spielfeld, in Selbstvertrauen, Führungsqualitäten, der Kommunikation untereinander und ganz besonders darin, mit dem Druck umzugehen. In der NBA ist der Druck oft groß, und die Spieler sind teilweise noch sehr jung. Die müssen dann noch lernen, wie sie das alles meistern können, auch abseits des Spielfeldes.

Profisportler müssen natürlich viel trainieren, sich vernünftig ernähren, auf die Gesundheit achten etc. Welche Rolle spielt dabei die Psyche?

Eine sehr große… Ich glaube, dass Spieler gerade unter Druck von außen schlechte Entscheidungen treffen und schnell vom rechten Weg abkommen; es gibt viele Verlockungen, man muss da schon sehr konzentriert arbeiten. Gerade als junger Spieler muss man erstmal lernen, was es heißt, sich gesund zu ernähren, und zwar nicht wie ein Durchschnittsmensch, sondern so, wie ein Profisportler auf dem höchsten Niveau das machen sollte. Also, Ernährung, Schlaf, das soziale Umfeld – wenn das nicht passt, wird es auch schwierig, konstante Leistungen abzurufen.

 

Dr. Rainer Meisterjahn Courtex Performance

 

Gerade beim Basketball gibt es ja für Spieler diese „Flow-Momente“, wo einfach jeder Wurf reingeht. Wie kann man einen Spieler in diesen Zustand bringen?

Ich finde das sehr schwierig, ich spreche gar nicht mit so vielen über „Flow“. Bei zehn Spielen passiert das vielleicht ein Mal… Aber ich glaube, man kann die Wahrscheinlichkeit vergrößern, indem man dem Spieler beibringt, sich auf die Sachen zu konzentrieren, die er kontrollieren kann. Häufig befasst man sich mit Sachen, die außerhalb der eigenen Kontrolle stehen, wie schlechte Schiri-Entscheidungen oder weniger Spielzeit, als man es sich vorgestellt hat. Je mehr ich den Spieler dazu bewegen kann, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, also auf den gegenwärtigen Moment, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass man diesen „Flow-State“ erreicht. Aber selbst, wenn es nicht so ist, gibt es dann immer noch eine größere Wahrscheinlichkeit, dass man ein Spiel gewinnt oder eine gute Leistung abrufen kann, auch wenn man gerade nicht den allerbesten Tag erwischt hat.

Gibt es etwas in der Psyche von absoluten Top-Spielern, das sie von vielleicht ebenso talentierten Spielern, die es nicht nach ganz oben schaffen, unterscheidet? Und wie könnte ich vielleicht in so eine Geisteshaltung kommen, für mehr Erfolg in alltäglichen Leben?

Es gibt natürlich Spieler, die absolute Ausnahmetalente sind und dann noch mental richtig viel investieren. Ich arbeite zum Beispiel mit Tobias Harris; das ist ein Spieler, der wirklich das Beste aus seinen Möglichkeiten macht. Der meditiert täglich; investiert viel in Schlaf, Ernährung und Weiterbildung. So setzt er sich schon von vielen Spielern mit gleichem Talent ab! Es gibt aber auch Spieler, die es aufgrund ihres Talents und einer einigermaßen soliden Arbeitseinstellung auf dieses Niveau schaffen, weil sie größer oder schneller sind, höher springen können, aber sich in der Mentalität nicht grundlegend unterscheiden von einem Spieler, der zum Beispiel hier in Deutschland in der Bundesliga spielt. Aber ich glaube schon, dass die besten Spieler in der Welt sich schon mental unterscheiden vom Durchschnittsmenschen und vom Durchschnittssportler; allein schon dadurch, dass sie bewusster arbeiten, bewusster Entscheidungen treffen, so gut wie möglich im Hier und Jetzt leben und mit emotionalen Schwankungen umgehen können. Das zu lernen ist ein Prozess. Mir hilft da zum Beispiel die tägliche Meditation und immer bewusst zu bleiben, nicht in den eigenen Emotionen gefangen zu sein, wenn man mal sauer ist oder enttäuscht oder so… Man muss lernen, die Emotion immer so ein bisschen zu beobachten, aber sie dann auch wieder loslassen, Distanz bekommen!

 

Dr. Rainer Meisterjahn Tobias Harris

 

Für NBA-Teams führst du auch Vorgespräche beim „Draft“ durch. Dort stellen sich die jungen, talentierten Collegespieler den Teams vor und hoffen, in die NBA aufgenommen zu werden. Was fragst du diese Spieler und welche Konsequenzen ziehen die Clubs daraus?

Erstmal schaue ich immer, inwieweit der Spieler sich selber kennt und darüber nachgedacht hat, welche mentalen Stärken er hat, wie er sich verbessern kann und welche Strategien er dafür hat, um sich weiterzuentwickeln. Es gibt immer um die Selbstwahrnehmung! Kann der Spieler sich realistisch einschätzen, macht er sich Gedanken… Und da habe ich schon Spieler interviewt, die super beeindruckend sind, andere wiederum haben überhaupt keinen Plan. Die gehen in so ein Interview rein, ohne sich großartig vorbereitet zu haben, und das finde ich dann immer ein bisschen erschreckend, weil es ja eine einmalige Chance ist. Ich schaue dann nicht nur, wie der Spieler sich auf dem Spielfeld einschätzen kann, sondern auch abseits vom Feld, Beziehungen, alltägliche Herausforderungen, wie er damit umgeht, und wie er sich selbst charakterlich als Mensch einschätzt, und wie er glaubt, in die Organisation hineinzupassen. Letzte Saison habe ich für die „Miami Heat“ gearbeitet und besonders darauf geschaut, inwiefern der Spieler zur organisatorischen Kultur passt.

Du bist ja selbst auch passionierter Basketballspieler. Wie war das für dich, als du dann zum ersten Mal auf absolute Megastars getroffen bist, die vielleicht früher sogar deine Vorbilder waren, und die du nun selbst coachen solltest?

Als ich noch versucht habe, mit dem Basketball ganz nach oben zu kommen, hatte ich natürlich Vorbilder. Ich habe viel NBA und Basketball-Bundesliga geschaut… Die ersten ein, zwei Mal ist das dann schon auch eine krasse Erfahrung, ein bisschen surreal vielleicht, aber dann gewöhnt man sich auch recht schnell daran. Mittlerweile kenne ich sehr viele NBA-Spieler, die damals in den 90ern und 2000ern Star-Spieler waren, mit denen ich ganz locker umgehen kann. Das ist keine große Sache mehr! Trotzdem grüble ich manchmal auch ein wenig und denke, dass das schon ziemlich unglaublich ist.

 

Dr. Rainer Meisterjahn Adrian Griffin

 

Die NBA wird ja zunehmend internationaler; es kommen mehr und mehr Spieler aus Europa oder anderen Erdteilen. Macht es für deine Arbeit einen Unterschied, ob ein Spieler aus Litauen oder Alabama kommt?

Du hast recht, die NBA ist viel internationaler geworden, und ich arbeite auch sehr gern mit internationalen Spielern zusammen. Man muss da manchmal vielleicht einen anderen Umgang finden als mit den Amerikanern, aber es kommt ja immer darauf an, was der ganz individuelle Spieler für eine Persönlichkeit hat, egal aus welchem Land er kommt. Generell ist es für mich schon leichter, mit europäischen Spielern zusammenzuarbeiten, als das für einen amerikanischen Mental-Trainer vielleicht der Fall ist, weil man sich kulturell vielleicht ein kleines bisschen besser versteht. Ich selbst sehe mich als Europäer und als Amerikaner, weil ich jeweils ungefähr die Hälfte meines Lebens dort verbracht habe.

Du bist ja auch, was den deutschen Basketball angeht, ganz gut informiert. Wie beurteilst du die Situation des deutschen Basketballs, gerade jetzt, wo mit Dirk Nowitzki der Übervater des deutschen Basketballs seine Karriere beendet hat?

Der deutsche Basketball ist sehr gut aufgestellt, die Liga ist mittlerweile auch sehr stark. Das kommt ein bisschen auch dadurch, dass die Ausländerregelung geändert wurde im Laufe der Jahre. Da sind auch sehr viele Amerikaner und Nicht-Deutsche in die Liga gekommen. Insgesamt ist die Liga auf einem sehr hohen Niveau, München, Berlin, selbst kleinere Teams wie „Rasta Vechta“, mit denen ich letztes Jahr was gemacht habe. Das lässt sich auf jeden Fall schon sehen! Mal schauen, wie sich unsere Nationalmannschaft jetzt bei der WM schlägt. Mittlerweile spielen sieben Deutsche in der NBA, was noch nie vorher der Fall gewesen ist. Ich glaube schon, dass sich sehr viel getan hat im deutschen Basketball, aber es ist natürlich immer schwer, mit Fußball mitzuhalten, was Fernsehen, Einschaltquoten und so weiter angeht. Da ist Basketball schon ein Randsport, aber international kann sich Deutschland sehen lassen! Vielleicht bietet sich ja auch für mich mal die Gelegenheit, häufiger in Deutschland zu arbeiten, je nachdem, wie sich die Liga entwickelt, mal sehen…

 

Dr. Rainer Meisterjahn

 

Du warst jetzt einige Tage auf Heimaturlaub. Welche Orte besuchst du immer, wenn du im Sauerland bist; hast du vielleicht sogar Lieblingsplätze hier?

Der Wald in Arpe und Umgebung, da bin ich viel unterwegs und mache Sport, wenn ich hier bin. Dann auch Schmallenberg, da spiele ich manchmal noch mit alten Freunden von früher Basketball, aus der Basketball-Abteilung, die ich damals gegründet habe. Vielleicht kann man das ja nochmal ein bisschen ankurbeln und ein paar interessierte Kinder finden, aber das ist aus der Distanz ein bisschen schwer. Also, auf jeden Fall, ganz viel Natur und frische Luft genießen und unbedingt aktiv sein…

 

Wahrscheinlich werde ich mich auch weiterhin nicht zum Zumba-Kurs anmelden, aber vielleicht krame ich die Jogging-Schuhe nochmal raus… Jedenfalls habe ich eine Menge gelernt: sich auf das Wesentliche konzentrieren, im Hier und Jetzt leben, bewusste Entscheidungen treffen, Distanz zu emotionalen Schwankungen gewinnen – alles Fähigkeiten, die nicht nur im Profisport eine Rolle spielen!

Die Fotos aus den USA wurden mit freundlicher Unterstützung zur Verfügung gestellt von:

http://www.courtexperformance.com/

https://www.instagram.com/courtexperformance/

https://www.facebook.com/courtexperformance/

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