CHRISTINA GRAF KOMMENTIERT DIE FUSSBALL-EM

ODER: DIE STIMME AUS DEM OFF…

Nur noch zwei Mal schlafen, dann ist es endlich so weit… Bist du auch schon im EM-Fieber? Die italienische Nationalmannschaft residiert in Iserlohn, mit Gelsenkirchen, Dortmund, Düsseldorf und Köln haben wir vier Austragungsorte fast direkt vor der Haustür – so nah dran waren wir selten! Und wenn du nicht zu den Glücklichen gehörst, die Tickets ergattern konnten und live im Stadion dabei sind, schaust du dir bestimmt das ein oder andere Spiel auf der großen Leinwand oder im Fernsehen an. Dann wirst du auch die Stimme einer waschechten Sauerländerin hören, denn die Lennestädterin Christina Graf ist im Kommentatoren-Team der ARD dabei:

Es liegt an uns, ob es ein Sommermärchen wird

Christina, bei unserem letzten Gespräch warst du gerade im Begriff, für die Fußball-WM der Herren nach Katar zu fliegen. Mit welchen Eindrücken im Gepäck bist du damals zurückgekehrt?

Mit ganz vielen unterschiedlichen… Es war ja nicht so eine WM, bei der es nur um Fußball ging, sondern auch um vieles mehr. Natürlich habe ich versucht, die Augen offenzuhalten und mitzubekommen, wie das da vonstattengeht, aber man ist schon in einer Fußball-Blase drin und kommt auch nicht so wirklich da raus. Es war ein toporganisiertes Turnier, wir haben tolle Stadien gesehen, haben auch Spiele mit sehr guter Stimmung erleben können, und für mich persönlich war es – trotz des kritischen Blicks darauf – schon ein sehr besonderes Event. Es war für mich zwar arbeitstechnisch nicht die erste WM überhaupt, aber die erste für die ARD.

Foto: Christina Graf

Wie das Turnier für Deutschland ausgegangen ist, wissen wir alle – erinnerst du dich trotzdem an einen besonders schönen oder intensiven Moment?

Das erste Spiel der WM zu kommentieren, war ein ganz intensiver Moment. Ich war schon sehr angespannt – zwar nicht so, wie vor meinem ersten Bundesliga-Spiel, dazu habe ich inzwischen zu viel Erfahrung –, aber es war echt aufregend! Ein sehr schöner Moment war, als ich Robert Lewandowski interviewt habe. Der hatte gerade für Polen sein erstes Tor bei einer Weltmeisterschaft überhaupt geschossen, war unfassbar höflich, hatte auch Lust, das Interview auf Deutsch zu machen. Daran erinnere ich mich sehr gern!

Foto: Christina Graf

Als ehemalige Bundesliga-Spielerin setzt du dich auch heute noch intensiv für den Frauenfußball ein, warst selbstverständlich auch bei der WM in Australien und Neuseeland dabei. Warst du sehr enttäuscht über das frühzeitige Aus der deutschen Mannschaft? Und siehst du die Entwicklung des Frauenfußballs hierzulande weiterhin auf einem guten Weg?

Enttäuscht waren wir alle, klar! Wir Kommentatoren dürfen zwar nicht parteiisch sein, aber natürlich fiebern wir auch mit der deutschen Mannschaft mit, egal, ob bei den Männern oder Frauen. Wir hatten uns schon mehr ausgerechnet, waren ja auch so weit weg und wussten innerhalb der Redaktion, dass die Aufmerksamkeit für das Turnier in Deutschland nachlassen wird. Dabei ging es ja auch darum, den Frauenfußball weiter zu fördern und ihm ein größeres Publikum zu verschaffen, deswegen war das schon ein kleiner Dämpfer. Und trotzdem finde ich, dass der Frauenfußball auf einem guten Weg ist, aber es ist noch Luft nach oben. In Kirchhundem haben wir jetzt ein gutes Beispiel für eine Mädchenmannschaft, die aus verschiedenen Vereinen zusammengetrommelt ist, in Halberbracht gibt´s das auch… Das sind supertolle Beispiele, denn die Mädels haben Lust, zu spielen, aber es braucht eben auch Unterstützer und viel Ehrenamt, Leute, die mit anpacken möchten, gerade hier auf dem Land. Daran fehlt´s halt noch, aber was die Zuschauerzahlen in den Stadien und in der Bundesliga angeht, hat sich eine Menge getan. Davon profitieren allerdings nur die ersten fünf Mannschaften, und leider noch nicht alle.

Foto: Christina Graf

In wenigen Tagen startet die EM der Herren, einige Spiele finden quasi direkt vor unserer Haustür statt. Wirst du auch da wieder in der Kommentatoren-Kabine sitzen?

Ja! Wir von der ARD haben aktuell siebzehn Spiele bei der Europameisterschaft. Wir sind ja nicht der komplette Rechte-Inhaber, deswegen sind´s nicht ganz so viele… Wir sind ein Team von drei Kommentatoren – Tom Bartels, Gerd Gottlob, und glücklicherweise darf ich auch dabei sein. Am Samstag starte ich mit Spanien gegen Kroatien, und dann schauen wir mal, wo die Reise hingeht…

Foto: Matthias Dersch

Wie bereitest du dich auf ein solches Spiel vor?

Ich lese viel, schaue mir Spiele und Zusammenfassungen an, achte dann auch auf die Presse der jeweiligen Länder – also in dem Fall schaue ich mir an, was die Kollegen in Spanien und Kroatien berichten. Ich sammle alles zusammen, was an Daten und Statistiken zu finden ist, dann bekommen wir auch vom Sender einiges an Material zusammengestellt. Das lese ich alles, schaue, was für mich relevant ist und was interessant zu erzählen wäre – das ist insgesamt sehr viel theoretische Arbeit. Toll ist natürlich, wenn man noch mit den Leuten vor Ort sprechen kann, ein paar persönliche Eindrücke sammeln kann. So kann ich dann gut vorbereitet ins Spiel gehen und die im Kopf gespeicherten Informationen hoffentlich im passenden Moment abrufen – natürlich habe ich aber immer auch ein paar Zettel vor mir, aber da kann man während des Spiels kaum noch draufschauen, weil die Zeit gar nicht da ist.

Foto: Matthias Dersch

Wie wichtig ist der Kommentar für den Zuschauer?

Ich glaube schon, dass das eine gute Unterstützung für die Zuschauer zuhause ist. So hilft man, die Stimmung aus dem Stadion zu transportieren und das Ganze einzuordnen, besonders in kniffeligen Situationen, in denen man vielleicht nicht genau weiß, in welchem Regelbereich man sich gerade befindet. Wir haben jetzt auch einen Experten im Kommentatoren-Team, mit dem wir taktisch noch ein bisschen mehr rausholen können – also, ich glaube schon, dass das einen großen Mehrwert hat, wenn es nicht zu viel wird.

Foto: Christina Graf

Vor wenigen Wochen wurde der Kader der deutschen Mannschaft bekanntgegeben. Waren da für dich auch Überraschungen dabei? Kennst du vielleicht sogar einige der Spieler persönlich?

Persönlich wäre zu viel gesagt, aber man kennt sich halt ein bisschen aus den Stadien oder von Interviews, sagt sich nett Hallo. Und so wahnsinnige Überraschungen waren im Kader für mich nicht dabei. Vielleicht war es etwas überraschend, dass mit Alexander Nübel gleich vier Torhüter mitgenommen wurden, aber da hat sich Julian Nagelsmann ja jetzt doch wieder dagegen entschieden… Ansonsten hätte ich vielleicht Mats Hummels doch mitgenommen, weil man seine Kopfballstärke bei der ein oder anderen Ecke bestimmt gut gebrauchen könnte. Ansonsten ist das die Mannschaft, bei der viele nachvollziehen können, warum sie so gewählt wurde – demnach alles richtig gemacht.

Foto: Matthias Dersch

Ich weiß, sich auf eine Prognose festzulegen, ist schwierig, aber dürfen wir uns deiner Meinung nach wieder auf ein echtes Sommermärchen freuen?

Das liegt ein bisschen an uns selbst. Ich finde, es liegt daran, was wir daraus machen. Natürlich ist es wichtig, dass wir eine Mannschaft haben, die guten Fußball spielt und uns ein bisschen mit der Euphorie ansteckt, aber es liegt auch daran, wie wir den Menschen begegnen, wie wir in den Stadien gute Stimmung schaffen, und wie wir uns verabreden, um gemeinsam Fußball zu schauen. Wenn wir uns europäisch zeigen und das Ganze feiern, dann kann es auch ein echtes Sommermärchen werden, da muss man nicht immer den Druck nur der Mannschaft zuschieben.

Foto: Matthias Dersch

Wer so viel unterwegs ist, kommt auch oft zurück nach Hause. Was machst du als erstes, wenn du wieder im Sauerland bist? Gibt es ein bestimmtes Ritual?

Wurst einkaufen beim Völmicke in Maumke… [lacht] Aber im Ernst, es gibt so vieles: Ich freue mich über einen freien Parkplatz, wenn ich wieder nach Hause komme, ich freue mich, dass ich direkt raus in den Wald gehen kann und – am allerwichtigsten nach teilweise so langer Zeit – ich freue mich, dass ich meine Familie endlich wiedersehe.

Schaffst du es bei so vielen Einsätzen für den Sport überhaupt noch, in der Region unterwegs zu sein und für die „Lokalzeit Südwestfalen“ im WDR zu berichten?

Ich versuche es immer und will es auch total gerne, aber es ist schon sehr viel weniger geworden, weil ich für die Sportschau am Wochenende immer drei Tage unterwegs bin, plus die Vorbereitung, die auch ja auch dazu gehört; jetzt bin ich vier Wochen komplett bei der Europameisterschaft, anschließend bei den Olympischen Spielen. Dann bleiben leider nicht mehr so viele Tage für die „Lokalzeit Südwestfalen“, aber wir versuchen es und bekommen es immer mal wieder auch hin.

Ja, natürlich wäre es schön, wenn die deutsche Mannschaft ein erfolgreiches Turnier spielt, aber du hast es gehört – es liegt an dir, was du daraus machst! Und so dürfen wir uns dann alle auf ein echtes Sommermärchen freuen…

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