ODER: KREATIVTÄT IN FORM GEBRACHT…
Die jungen Leute wollen alle irgendwas mit Medien machen, das Handwerk bekommt keinen qualifizierten Nachwuchs, Frauen sind in diesen Berufen ohnehin fehl am Platz – so oder so ähnlich hast du es bestimmt auch schon einmal gelesen, gehört oder sogar gedacht!? Wahrscheinlich bestätigt die Statistik zumindest einer dieser Aussagen – gemeint ist die mittlere –, doch es gibt immer wieder auch Ausnahmen, die die Regel nicht bestätigen, sondern widerlegen! So, wie Madlen Beckmann aus Olsberg:
Theorie und Praxis
Jeder Mensch kann mindestens eine Sache besser als du – den Satz habe ich kürzlich in der „Tischlerei Beule“ in Brilon-Wülfte gelesen. Einem gesunden Menschenverstand sollte diese Tatsache ohnehin bekannt sein, aber dass sie noch vor Ort ganz eindrucksvoll bewiesen werden sollte, konnte ich da noch nicht ahnen… Doch beginnen wir von vorn: Zwei Leidenschaften sind es, die Madlen schon ihr Leben lang verfolgen und Tag für Tag zu Höchstleistungen antreiben. Die eine gilt der Kreativität und dem Design; ihr Abitur legte sie mit dem Schwerpunkt Kunst und Gestaltung ab und konnte ihre Fähigkeiten so noch weiter vertiefen.

Die andere Leidenschaft gilt dem Holz; schon früh entdeckte sie, wie unglaublich vielfältig sich dieser lebendige Werkstoff nutzen ließ. Und so war völlig klar, dass es nach der Schule nicht direkt ins Studium, sondern in eine Ausbildung ging. Zimmerin oder Tischlerin – hättest du den Unterschied gekannt? Madlen hat ihn mir erklärt: Während Zimmerer auf den Zentimeter genau arbeiten und zum Beispiel Dachstühle fertigen, zählt für die Tischler, die sich um den gesamten Innenausbau kümmern, wirklich jeder Millimeter. Drei Mal darfst du raten, wofür sich Madlen entschieden hat? Okay, war mit einer Fifty-Fifty-Chance auch nicht ganz schwer, aber du hast natürlich Recht: Auch wenn Madlen keine Angst vor der Kreissäge und schwerem Gerät hat, liegt ihr das Filigrane doch mehr – also hat sie in den letzten drei Jahren eine Ausbildung zur Tischlerin gemacht!

Zunächst startete sie in einem anderen Betrieb, in der „Tischlerei Beule“ fand sie dann aber genau das, was sie gesucht hatte: Einen Chef, der ihr viel zutraute und große Freiheiten in ihrer Entwicklung gab, ein professionelles Arbeitsumfeld, in dem sie sich so richtig austoben konnte, und eine Freundin. Die Tischlergesellin Karina Hoffmann teilt nämlich Madlens Leidenschaften, auch sie hat viel Freude daran, aus kleinen Ideen handwerkliche Projekte zu gestalten – gemeinsam sorgten Karina und Madlen in dem kleinen Betrieb für eine Frauenquote von fünfzig Prozent.

Und so kam es dann auch, dass die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit fließend wurden, denn auch nach Feierabend und an den Wochenenden stand Madlen in der Werkstatt oder setzte sich an den Schreibtisch, um ihre Ideen in Form zu bringen, indem sie durch Skribbles aufs Papier gebracht wurden…

Wann auch immer ein Feiertag oder Geburtstag anstand, musste Madlen nicht lange nach Geschenken suchen, sie machte sie einfach selbst: Zu Weihnachten drechselte sie kleine Tannenbäume, ihre Lieben durften sich über Wohnaccessoires freuen, die meist sogar einen praktischen Nutzen hatten!

Doch auch die schönste Zeit ist einmal zu Ende; vor ein paar Wochen hat Madlen ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen, nun bereitet sie sich darauf vor, neue Wege zu gehen. Denn um ihre Leidenschaften noch enger miteinander zu verbinden, fehlt nur noch ein letzter Schritt, und dazu muss sie das Sauerland schweren Herzens für eine bestimmte Zeit verlassen:
Eine Ode an das Sauerland
Ein Produktdesign-Studium an der renommierten Kunsthochschule Kassel bietet alle Möglichkeiten, um die Theorie und die Praxis noch intensiver miteinander zu verknüpfen: Dort wird Madlen ihre gestalterischen und zeichnerischen Fähigkeiten weiter ausbauen, die Arbeit mit anderen Materialien wie Metall und Keramik kennenlernen, die Werkstätten in den verschiedenen Bereichen frei nutzen können…

Natürlich sind solche Studienplätze begehrt, deswegen war das Aufnahmeverfahren auch nicht ganz so leicht zu bewältigen: Drei Tage lang musste Madlen auf Zeit verschiedene Aufgabenstellungen erledigen und eine Mappe mit 25 eigenen Werken abgeben. Von der ersten Skizze bis zum Foto des fertigen Objekts, fein säuberlich sortiert – zum Glück hatte Madlen sich in den letzten Jahren gut vorbereitet, und wer bitte lehnt schon ein echtes Naturtalent ab!?

Im Herbst wird sie ihre Zelte also hundert Kilometer östlich von Olsberg aufschlagen, mit im Gepäck natürlich besonders die Stücke, die sie mit ihrer Heimat verbinden. Allen voran wäre da ihr Gesellenstück, das „Woll-Board“, an dem sie unzählige Stunden gearbeitet hat. Für die austauschbaren Füllungen hat Madlen bei „Kanapee“ in Brilon-Thülen sogar das Polstern gelernt – mit seinem Fichtenholz, den filigranen Schiebetüren, dem wolligen Retro-Grün und den floralen Schnitzereien an den Schubkästen ist das universell nutzbare Highboard eine echte Ode an das Sauerland!

Nicht viel anders ist es mit der Bank „Scha(r)f verpackt“: Gefertigt aus massivem Zirbenholz, das einen wohligen Duft verbreitet, und mit der Brennholzoptik als Frontgestaltung ist es detailverliebt und gut durchdacht; die in den Deckel geschnitzten Skudden erinnern Madlen an ihre Kindheit, früher gehörten zu ihrer Familie nämlich auch einige Exemplare dieser Hausschafrasse.

Doch ihr Lieblingstier ist ganz eindeutig der Fuchs! Von ihm entstand zunächst nur eine Portraitzeichnung; als Madlen aber ein ausrangiertes Skateboard fand, kam ihr gleich die Idee, im Rahmen eines Oberflächenkurses ein Longboard nach ihren eigenen Vorstellungen zu entwerfen. Aus sieben unterschiedlichen Furnieren, die Madlen teils auch auf dem Dachboden fand, wurde die Unterseite gestaltet, die Basis bildet massive Birkenmultiplex.



Das Board ist zwar so schön, dass es auch an der Wand ein echter Eyecatcher ist, doch hin und wieder macht Madlen mit ihm auch die Straßen im heimischen Olsberg unsicher, sofern es die Zeit erlaubt…

Ein Gedanke gefällt Madlen besonders: Ihre Werke müssen nicht nach dem zweiten Umzug ersetzt werden, sie sind so wertig gebaut, dass sie über Jahrzehnte halten sollen… Bestenfalls werden sie dann auch noch mit Holz gefertigt, das irgendwo übrig geblieben ist, so wie die „Wood Chip Shine“-Lampe: Bei der Gestaltung der Zirbenbank fielen einige Späne an – eigentlich viel zu schade, sie zu entsorgen! So setzte Karina eine Mischung aus Zirbenspänen und Reisleim an, und Madlen fertigte die Lampe, die durch ihre organische Textur und ihr warmes Licht überzeugt.

Ja, ich könnte noch ewig so weitermachen, denn Madlens Mappe ist wirklich prall gefüllt, aber vielleicht sollten wir doch noch einen kurzen Blick darauf werfen, wie es für sie weitergeht: Der Plan ist, nach dem fünfjährigen Studium ins Sauerland zurückzukehren, ihr Traum ist, anschließend ein Atelier zu eröffnen. Ich bin sicher, wir werden noch viel von ihr hören – und wenn du nicht so lange auf dein Holz-Unikat warten möchtest, kannst du sie zwischendurch auch mal für kleinere Arbeiten anfragen, ansonsten sind ja auch noch Karina und die „Tischlerei Beule“ da, um deine Ideen in die Tat umzusetzen!

Tischlerei Beule, Wülfter Straße 25, 59929 Brilon
