ANDREA SAWATZKI ZEIGT HALTUNG

ODER: ROADTRIP NACH MELLE…

Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt,dann fährt die Bloggerin eben nach Melle! Du weißt ja, normalerweise bleibe ich meinem geliebten Sauerland treu – hier finde ich meine Geschichten, meine Begegnungen, meine Inspiration. Aber manchmal gibt es Menschen, die meinen inneren Kompass kurz zum Ausschlagen bringen. Menschen, für die ich gern mal ein paar Kilometer mehr fahre. Einfach, weil sie etwas bewegen. So ging’s mir mit Andrea Sawatzki. Du kennst sie bestimmt als großartige Schauspielerin oder Autorin – ihre Rollen, ihre Bücher, ihre unverwechselbare Stimme. Aber was mich wirklich berührt, ist ihr Engagement für Tiere. Dieses ehrliche, leise, beständige Engagement, das nicht nach Schlagzeilen sucht, sondern einfach aus dem Herzen kommt. Genau das wollte ich erleben, nicht nur aus Interviews oder den sozialen Medien heraus, sondern von Mensch zu Mensch. Also habe ich mein Sauerland für einen Tag hinter mir gelassen, die Tasche gepackt und bin Richtung Niedersachsen gestartet – nach Melle. Ein kleiner Ort, große Vorfreude. Schon auf der Fahrt war da dieses Gefühl, dass es heute ganz besonders wird:

Ich kann da nicht wegsehen

Frau Sawatzki, Sie gehören zu den bekanntesten Gesichtern des deutschen Films. Wenn Sie heute auf Ihre Karriere blicken: Welche Momente, welche Projekte haben Sie besonders geprägt?

Mir waren alle meine Projekte wichtig – da kann ich keinen Unterschied machen. Bei jedem Film, den ich gedreht, und bei jedem Buch, das ich geschrieben habe, habe ich dazugelernt. Für mich ist das Wichtigste, nicht stillzustehen, nach vorne zu schauen, sich weiterzuentwickeln und das Beste aus dem Leben zu machen.

Foto: ZDF / Stefan Erhard

Sie lesen heute aus der „Familie Bundschuh“, das Publikum liebt diese herrlich chaotische Familie. Wie ist es, eine Figur nicht nur zu schreiben, sondern sie auch selbst zu verkörpern?

Der große Erfolg der „Familie Bundschuh“ ist wirklich ein Geschenk! Der erste Film liegt inzwischen schon zehn Jahre zurück, und ich darf verraten, dass bereits ein neuer in Planung ist. Die heutige Lesung ist allerdings eine Ausnahme – normalerweise lese ich nur noch aus meinen aktuellen Büchern. Aber wenn es so gefragt ist, mache ich das natürlich gern… Gundula ist eine Frau, in der sich viele Frauen wiederfinden – sei es beim Älterwerden oder bei diesem Gefühl, nicht zu genügen und sich ständig beurteilt zu fühlen. Sie trifft einfach einen Nerv. Aber auch die anderen Familienmitglieder spiegeln viel Menschliches wider – vielleicht ist das das Geheimnis des Erfolgs.

Fotos: ZDF / Adrian Gross

In Ihrem neuen Buch „Biarritz“ geht es um eine schwierige Beziehung zwischen Mutter und Tochter, ums Loslassen und ums Wiederfinden, ums Altwerden. Wie nah sind Ihnen diese Themen persönlich?

„Biarritz“ ist eine autofiktionale Geschichte, also natürlich sehr nah an mir dran. Es ist die Fortsetzung von „Brunnenstraße“, das vor drei Jahren erschienen ist und meine Kindheit behandelt. Jetzt geht es um eine Frau, die ihre demente Mutter im Pflegeheim besucht – und um das Schweigen zwischen beiden, das nicht mehr durchbrochen werden kann. Das hat viel mit meiner eigenen Geschichte zu tun, aber eben nicht nur mit meiner. Bei der Premiere in Hamburg habe ich gespürt, wie viele Menschen diese Themen berühren – das Schweigen, das Krankwerden, die Frage, wie man mit dem Altern der Eltern umgeht. Das ist etwas sehr Universelles.

Sie leben seit vielen Jahren mit Ihrem Mann Christian Berkel zusammen – zwei Künstler, zwei Karrieren. Dreht sich auch privat bei Ihnen vieles um den Beruf?

Nicht ständig, aber natürlich reden wir auch viel über unsere Arbeit. Wir haben einige gemeinsame Projekte – von der „Anfänger“-Reihe erscheinen demnächst zwei neue Teile, „Entführen für Anfänger“ am kommenden Freitag [also heute – Anmerkung der Redaktion] um 20.15 Uhr im Ersten. Wir haben auch schon gemeinsam produziert, zum Beispiel den Film „Querschuss“, der sich mit Suizid im Alter beschäftigt und in der ARD Mediathek verfügbar ist. Wir arbeiten gern zusammen – als Produzenten, Autoren und Schauspieler. Aber zu Hause geht’s meistens um ganz andere Dinge.

Sie engagieren sich seit vielen Jahren leidenschaftlich für den Tierschutz. Wann begann Ihre Liebe zu Tieren – und wann wurde sie zu einer echten Mission?

Meine Liebe zu Tieren begleitet mich seit meiner Kindheit, und auch mein Engagement gibt es schon sehr lange. Dieses Jahr ist es noch intensiver geworden, weil ich mit Sabine Peschke und dem Verein „NaTiNo e.V.“ zusammenarbeite, der sich um Straßenhunde in Rumänien kümmert. Gemeinsam mit dem WDR haben wir eine Doku gedreht und Tötungsstationen besucht…

Dieses Engagement liegt mir sehr am Herzen. Lebewesen, die schwächer sind und auf unsere Hilfe angewiesen, zu unterstützen, ist für mich selbstverständlich. Ich kann Menschen nicht verstehen, die über das Leid der Tiere hinwegsehen oder gar Hunde töten, nur weil es keine Kastrationsprogramme gibt. Das bricht mir das Herz – und genau deshalb fahren wir im Dezember schon zum vierten Mal hin, um so viele Hunde wie möglich zu retten. Es ist schwer, das Leid zu sehen, das uns dort begegnet, aber aufhören kommt nicht infrage. Ich finde, man sollte Hunde adoptieren – aus dem Tierheim, egal ob in Deutschland oder im Ausland – und keine neuen „produzieren“.

Auch das Leid der spanischen Windhunde, der Galgos, liegt Ihnen sehr am Herzen. Warum berühren Sie diese Tiere besonders – und was wünschen Sie sich von uns Menschen im Umgang mit ihnen?

Da ist Aufklärung unglaublich wichtig! Viele wissen gar nicht, wie schlimm es den Windhunden in Spanien geht – wie sie gequält werden. Bei den Galgos geht es darum, eine alte Tradition zu durchbrechen, ähnlich wie bei den Stierkämpfen. Ich wusste das früher selbst nicht. Wir sind oft in Andalusien, und dort habe ich Freundschaft mit Menschen geschlossen, die in einem Tierheim arbeiten. Durch sie habe ich erfahren, was mit den Galgos passiert, wenn sie nicht mehr „funktionieren“ oder sich verletzen. Das ist einfach grauenhaft. Diese Tiere sind so sensibel, so liebenswert – da kann ich einfach nicht wegsehen.

Es gibt derzeit viel Leid und Gleichgültigkeit – nicht nur gegenüber Tieren, sondern auch gegenüber Menschen. Was gibt Ihnen trotzdem Hoffnung?

Ich merke, wie gut es tut, mit anderen Menschen über das eigene Leid zu sprechen. Gerade die Gespräche nach „Brunnenstraße“ und „Biarritz“ waren sehr tröstlich. Es hilft mir, Erfahrungen zu teilen, weil ich mich dann nicht mehr so allein fühle. Die Welt ist gerade aus den Fugen geraten, aber ich glaube, Hoffnung entsteht im Miteinander – im Gespräch, auch mit Menschen, die ganz anders denken. Es ist wichtig, für die Schwächeren einzustehen, sich gegen Antisemitismus und Rassismus zu stellen, auch wenn man sich damit nicht nur Freunde macht.

Foto: Valeria Mitelman

Sie starten im Januar Ihre große Lesetour zu „Biarritz“ – leider führt die Sie diesmal nicht ins Sauerland. Haben Sie trotzdem schon einmal hier Station gemacht? Oder dürfen wir hoffen, dass Sie beim nächsten Mal hier vorbeikommen?

Ich war tatsächlich schon öfter in der Region auf Lesereise, und auch mein Mann war kürzlich zu einer Lesung in Menden. Ich bin viel mit der Bahn unterwegs, da sind die kleineren Orte manchmal etwas schwer zu erreichen – deswegen ist das Sauerland diesmal leider nicht dabei. Aber man soll ja bekanntlich niemals nie sagen!

Foto: ZDF / Stefan Erhard

Auf der Rückfahrt nach Hause war es still im Auto – aber nicht leer. Ich hatte das Gefühl, etwas Kostbares mitzunehmen: Die Begegnung mit einer Frau, die Haltung zeigt, ohne laut zu sein. Andrea Sawatzki beeindruckt nicht nur durch ihr Talent, sondern durch ihre Konsequenz, ihr Mitgefühl und ihren Mut, hinzuschauen, wo andere wegsehen… Dieser kleine Roadtrip nach Melle hat mir gezeigt, dass es sich lohnt, ab und zu den vertrauten Radius zu verlassen. Denn manchmal wartet die Inspiration nicht im eigenen Wald, sondern ein paar Stunden weiter, bei einem Menschen, der mit offenem Herzen durchs Leben geht. Und vielleicht geht es dir ja ähnlich: Wenn Andrea Sawatzki demnächst auf Lesetour ist, schau doch mal, ob du deinen Radius nicht auch ein bisschen erweitern möchtest. Es lohnt sich, versprochen…

https://www.instagram.com/andrea.sawatzki/

https://schlag-agentur.de/andrea-sawatzki#!/1

https://www.natino.de/

Die nicht eigens gekennzeichneten Fotos wurden mit freundlicher Unterstützung von Andrea Sawatzki zur Verfügung gestellt.

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