ODER: WENN EIN HAUS ZUR HEIMAT WIRD…
Wenn du durch Oberhundem schlenderst, führt kaum ein Weg an diesem Haus vorbei… Der „Gasthof zu den Linden“ schmiegt sich mit seinen alten Mauern unter das grüne Blätterdach der namensgebenden Bäume, der Kaffeeduft hängt in der Luft und irgendetwas sagt dir sofort, dass du hier willkommen bist. Doch was diesen Ort wirklich besonders macht, ist nicht nur die Lage oder die heimelige Stube. Es ist Aferdita Greitemann. Vielleicht begrüßt sie dich mit einem Lächeln an der Tür. Vielleicht bringt sie dir ein liebevoll gekochtes Menü direkt an den Tisch. Vielleicht sorgt sie dafür, dass dein Zimmer warm ist, das Handtuch flauschig und der Frühstückstisch so aussieht, als hätte man ihn für einen Lieblingsmenschen gedeckt. Denn Aferdita ist nicht einfach Gastgeberin – sie ist das Herz dieses Hauses. Und ihre Geschichte ist so stark, so leise kraftvoll, dass du sofort spürst, dass sie jemand ist, der nicht nur Betten macht, sondern Heimat schafft:
Gaby gab dem Haus eine Seele…
Der „Gasthof zu den Linden“ steht auf richtig altem Boden. Und das ist keine Floskel: 1814 brannte das Haus komplett nieder. Nur ein Jahr später wurde es auf seinen alten Grundmauern wieder aufgebaut. Und genau diese Mauern? Die könnten über 500 Jahre alt sein. Bei Umbauarbeiten während der Corona-Zeit stießen Handwerker unter dem Boden auf einen alten Brunnen – heute kannst du ihn durch eine Glasplatte im Boden bestaunen. Schon 2017 entdeckte man in der ehemaligen Spülküche einen alten Steinboden im Fischgrätmuster – noch ein Gruß aus vergangenen Jahrhunderten.

Seit über 100 Jahren ist das Haus ein Gasthof – so lange schon wird hier gekocht, serviert, beherbergt, erzählt. Wann genau es sich vom Wohnhaus zur Einkehr für Gäste wandelte, weiß heute niemand mehr so genau. Aber eins ist klar: Die Geschichte des Hauses ist auch die Geschichte starker Frauen.

In den 1930er-Jahren heiratete Maria Magdalene Schulte Herrn Schmelter. Gemeinsam kauften sie das Haus und träumten davon, ein Café daraus zu machen. Doch das Schicksal schlug zu – Schmelter erkrankte an Tuberkulose und starb viel zu früh. Dann kam der Krieg – und das Haus wurde Zuflucht. Menschen aus dem Ruhrgebiet, vor allem Frauen und Kinder, flohen vor den Bomben und fanden hier ein sicheres Dach über dem Kopf. Maria Schmelter verlangte nie mehr, als jemand geben konnte. Das Haus war voll, aber friedlich. Alle halfen mit. Jeder hatte eine Aufgabe. Und so entstand eine kleine Welt für sich – eine, in der man, wie viele berichteten, vom Krieg selbst kaum etwas mitbekam.

1943 kehrte der Oberhundemer Heinrich Brüggemann aus dem Krieg zurück. In seinem Elternhaus war kein Platz mehr – also zog er in den Gasthof. Dort lernte er Maria Schmelter kennen, 1945 wurde geheiratet. 1946 kam Gaby zur Welt, zwei Jahre später ihre Bruder Gregor. Heinrich war eigentlich Schmied – aber er wurde Wirt aus Überzeugung. Ein großer, herzlicher Mann, den alle nur „den langen Heinrich“ nannten… Der Gasthof florierte. Damals war Vollpension üblich, die Gäste blieben oft wochenlang. Es war viel Arbeit – aber auch viel Herzlichkeit. Gaby Brüggemann übernahm später das Haus von ihren Eltern und führte die Tradition mit Unterstützung ihres Bruder Gregor fort: Selbst gekocht, selbst serviert, mit ganz viel Herzblut. Viele Gäste kamen wieder, Jahr für Jahr. Denn Gaby hatte dem alten Haus etwas gegeben, das kein Handwerker schaffen kann: Eine Seele.

… und Aferdita lässt sie weiterleben!
Aferdita Greitemanns Geschichte beginnt weit weg vom Sauerland – im Kosovo. Dort wuchs sie in einer gut situierten Familie auf: Mit Auto, Fernseher, Sommerurlaub am Meer und Skiferien im Winter. Doch in den späten 1980ern änderte sich alles. Die Spannungen im zerfallenden Jugoslawien spitzten sich zu und das Leben, das bis dahin ganz selbstverständlich schien, geriet aus den Fugen… Aferdita war gerade mal acht Jahre alt, als sie alleine mit dem Bus weite Strecken fuhr, um die notwendigsten Lebensmittel für ihre Familie zu besorgen. Ihr Vater floh 1990 in die Schweiz, später nach Deutschland. Erst dachte man, es sei nur für kurze Zeit – doch es wurde ein Abschied für Jahre. Telefonate? Selten – wenn es überhaupt mal eine Verbindung gab.

1992 flüchtete schließlich die ganze Familie nach Deutschland – ohne Sprache, ohne Auto, ohne Sicherheiten. In Oberhundem angekommen, begann Aferdita als Schülerin im „Gasthof zu den Linden“ zu helfen. Schnell lernte sie Deutsch, übernahm Verantwortung, packte an. 1998 begann sie fest im Gasthof zu arbeiten. Doch Gaby Brüggemann hat Aferdita nicht einfach eingestellt, sie hat sie gesehen. Vom ersten Tag an hat sie gespürt, dass in dieser jungen, schüchternen Frau mehr steckt als nur Fleiß und Freundlichkeit. Gaby adoptierte Aferdita 1999, sie förderte sie, forderte sie, war mal streng, mal herzlich, aber immer mit einem Ziel vor Augen: Sie „schliff“ Aferdita, ohne, dass diese es merkte – nicht aus Härte, sondern aus Überzeugung. Denn Gaby wusste: Eines Tages würde genau sie das Haus übernehmen. Und dafür sollte Aferdita bereit sein.

Als Aferdita den Führerschein machte, öffnete sich für sie eine neue Welt. Sie fuhr Gäste, lernte umliegende Orte kennen, sammelte Erfahrungen. Im Büro hing eine alte Weltkarte – und während andere nur hinsahen, begann sie zu träumen: Australien? Amerika? China? 2006 reiste sie tatsächlich nach China. Später lebte sie vier Monate in England, um Englisch zu lernen – vermittelt durch Gabys Stammgäste. Ein Jahr später war sie für sechs Wochen in Amerika, reiste von Kalifornien über Colorado nach New York, lernte Kulturen kennen, saugte Erfahrungen auf. Australien blieb bis heute ein Traum, aber sie machte eine Motorradtour durch Neuseeland – gemeinsam mit ihrem heutigen Mann Dirk Greitemann…. Diese Reisen haben sie geprägt. In Bristol sah sie vom Doppeldeckerbus aus die Armenviertel. In Amerika begegnete sie bitterer Armut. All das ließ sie erkennen, wie kostbar das Leben in Oberhundem ist: Die Sicherheit, die Natur, die Ruhe, das Miteinander. Und doch – ganz los ließ sie der Gedanke, auszuwandern, nie. Aber sie blieb. Aus zwei Gründen: Weil sie Gaby alles verdankte – und weil sie ihr etwas zurückgeben wollte. Gaby hielt sie nie zurück, war aber dankbar, dass sie blieb.

2018 verstarb Gaby – und Aferdita übernahm den Gasthof ganz. Heute lebt sie mit ihrem Mann Dirk und ihren beiden Töchtern direkt neben dem „Gasthof zu den Linden“, den sie in ein kleines Paradies verwandelt hat… Doch so ganz ohne Reisen geht es dann doch nicht: Das Fernweh ist immer da, letztes Jahr hat sie den Kilimanjaro bestiegen, jetzt haben die Berge sie gepackt – doch genauso gern sie unterwegs ist, kehrt sie auch nach Oberhundem zurück.

Und wenn du dich jetzt fragst, was du im „Gasthof zu den Linden“ eigentlich alles erleben, schmecken und entdecken kannst – dann heißt es: Nur Geduld! Denn normalerweise stelle ich in einem einzigen Blogpost Menschen und ihre Projekte vor. Zack – alles drin, Schleife drum, fertig. Aber diesmal? Geht das nicht. Weil die Geschichte von Gaby und Aferdita einfach zu groß, zu besonders, zu berührend ist. Und mal ehrlich: So eine Story verdient ihren eigenen Auftritt, oder? Deshalb gibt’s morgen den zweiten Teil – mit allem, was dein Herz höherschlagen lässt: Frühstück mit Liebe, Zimmer mit Seele, Service mit Charakter und sogar noch ein paar gemütlichen Baumhäusern. Oder anders gesagt: Mit dem vollen Linden-Programm. Also, klick dich morgen wieder rein! Es wird lecker, herzlich, überraschend – und wer weiß, vielleicht planst du danach schon deinen nächsten Kurzurlaub im Sauerland…

Gasthof zu den Linden, Aferdita Greitemann, Hauptstraße 15, 57399 Kirchhundem-Oberhundem
https://www.gasthof-zu-den-linden.de/
https://www.instagram.com/gasthof.zu.den.linden/
Das Foto des Gasthofes bei gutem Wetter wurde mit freundlicher Unterstützung von Aferdita Greitemann zur Verfügung gestellt, die historischen Bilder habe ich von den ausgehängten Originalen abfotografiert.
