
ODER: „YOUR VEGGIE“ NEU GEDACHT!
Der Erdbeerjoghurt schmeckt voll krass nach Erdbeere, und die Erdbeere irgendwie nur labbrig nach Wasser… Klingt nach verkehrter Welt, aber du weißt, was ich meine, oder? Du freust dich auf die dicke, saftige Beere, die pralle Tomate, den knackigen Salat, und wenn du dann reinbeißt, liegen die Erwartungshaltung im Kopf und der tatsächliche Geschmack meilenweit auseinander. Echt enttäuschend! Zum Glück funktioniert dieses Zusammenspiel der Sinne aber auch andersherum: Du erwartest zunächst gar nicht viel von diesen kleinen Pflänzchen, probierst nichtsahnend nur ein paar, und plötzlich explodieren sämtliche Geschmacksnerven!
Kleine Kraftpakete
Diese kleinen Pflänzchen von denen ich rede, heißen „Microgreens“. Wie du schon am Namen hörst, mal wieder ein Foodtrend aus den USA, der auch bei uns zunehmend beliebter wird. Aber endlich mal einer nach meinem Geschmack, denn ehrlich gesagt kann ich mit vielen exotischen Gemüsen und Früchten, die bei uns die Läden erobern, nicht so richtig viel anfangen. „Microgreens“ dagegen sind wohlbekannte, heimische Pflanzen wie Sonnenblumen, Rettich, Erbsen oder Radieschen.
Nur werden sie bereits nach wenigen Tagen, sozusagen im Säuglingsalter, geerntet. Altersmäßig liegen sie damit zwischen Sprossen und Babygemüse. Mit Sprossen gemeinsam haben sie den hohen Gehalt an Vitaminen und Mineralien, übertreffen sie aber in der Geschmacksintensität.
Ein Gewächshaus, das es in sich hat
Wie so häufig im Leben, kamen die „Microgreens“ nicht gezielt, sondern eher durch einen Zufall ins Sauerland: Michel Becker aus Hemer dachte eigentlich darüber nach, ein eigenes Restaurant für „Low and slow“-Küche zu eröffnen. Für die Kreation von neuen Rezepten war er auf der Suche nach wirklich schmackhaften Zutaten, und stieß so auf das Mikro-Gemüse. Nach einigen Experimenten im eigens dafür im Garten errichteten Gewächshaus war klar, dass diese Idee weiter ausgebaut werden sollte. Das war im Februar, im Mai meldete er dann schon sein Unternehmen „Your Veggie“ an.
Pestizide und Herbizide sind für das junge Powergemüse natürlich tabu. Stattdessen wird die Bio-Saat unter anderem mit Oregano-Öl behandelt; seit der Antike ein bekanntes Mittel gegen Pilze und zur natürlichen Desinfektion. So kann garantiert werden, dass nicht nur der Geschmack stimmt, sondern auch die eigene Gesundheit und die Umwelt geschont werden.
Ideal als „Microgreens“ eignen sich alle schnell wachsenden Pflanzen, wie z.B. Erbsen, Amaranth, Sonnenblumen, Rote Bete oder Rettich, denn schließlich werden sie schon nach sieben bis acht Tagen noch vor dem zweiten Blattansatz geerntet.
„Microgreens“ werden dicht gesät, der Verbrauch an Bio-Saatgut ist entsprechend hoch. Durch die kurze Wachstumsperiode können aber auch mehrere Ernten pro Monat garantiert werden, so dass Michel und seine Partnerin Alexandra Dotz etwa 864 Kilogramm monatlich in ihrem acht Quadratmeter großen Gewächshaus ernten können.
Um auf so kleinem Raum solche Mengen an hochwertiger Nahrung produzieren zu können, werden die „Microgreens“ in Regalen vertikal angebaut, sprich gestapelt. Angesichts des zunehmenden Flächenverbrauchs ist das ein nachhaltiges Konzept, bei dem bis zu neunzig Prozent Wasser eingespart werden können. Selbstverständlich werden die „Microgreens“ in recyclebaren Schalen angebaut, so dass auch hier der natürliche Kreislauf geschlossen bleibt, und kein unnötiger Müll anfällt.
Große Pläne
Was Michel und Alexandra sich in so kurzer Zeit aufgebaut haben, ist schon aller Ehren wert. Trotzdem war ich beeindruckt, dass die beiden Jungunternehmer auch schon fertige Pläne für die Zukunft haben. Aus dem acht Quadratmeter großen Gewächshaus soll irgendwann einmal eine klinisch reine Halle werden, in der dann noch viel größere Mengen von schmackhaftem Gemüse und auch Getreide automatisch gepflanzt und bewässert werden können. Die Ernten sollen dann mit einem E-Auto CO²-neutral an die Kunden ausgeliefert werden. Mit minimalem Ressourceneinsatz und ohne Eintrag von Giften in die Umwelt kann so die Ernährung der Zukunft und das Überleben des Planeten gleichzeitig gesichert werden. Alle reden darüber, wie wirtschaftliches Wachstum in den Zeiten des Klimawandels und des Raubbaus an der Natur noch möglich sein kann – Michel und Alexandra reden nicht einfach, sie planen schon!
So kommst du zu deinen frischen „Microgreens“
Deine „Microgreens“ werden für dich frisch produziert und geerntet. Mindestens acht Tage vor dem gewünschten Abholtermin bestellst du sie einfach bei „Your Veggie“ vor. Wenn du die Umwelt noch weiter schonen möchtest, bringst du deine eigene Verpackung mit und holst dir deine tagfrisch geernteten „Microgreens“ direkt vor Ort ab.
Mindestabnahmemenge ist eine Schale, was einem Gewicht – je nach Sorte – von ungefähr einem Kilo entspricht. Solltest du regelmäßig einen größeren Vorrat brauchen, bringt Michel dir die „Microgreens“ im Umkreis von einer halben Stunde Fahrtzeit rund um Hemer auch erntefrisch vorbei.
Bleibt eigentlich nur noch die Frage, was du mit deinen kleinen Geschmacksbomben tun sollst. Natürlich kannst du einen ganzen „Microgreens“-Salat kreieren. Dabei solltest du aber beachten, dass sie eben geschmacklich deutlich intensiver sind als gewöhnlicher Salat.
In der gehobenen Gastronomie werden sie deswegen gerne als Garnitur oder als Beilage zu Fleisch oder Fisch verwendet. Ich kann sie mir auch sehr gut in Quark und Frischkäse vorstellen, oder empfehle den ansonsten doch recht faden Tomaten- oder Gurkensalat durch eine Handvoll „Microgreens“ zu einer echten Besonderheit zu machen. Demnächst wirst du zusätzlich auf der Homepage von „Your Veggie“ passende Rezepte finden können, damit auch deine Geschmacksnerven endlich wieder explodieren dürfen…
Die meisten Fotos wurden mit freundlicher Unterstützung zur Verfügung gestellt von:
Your Veggie, Teichstraße 56, 58675 Hemer